Wenn Krisenzeiten Angst machen

Krieg in der Ukraine, COVID-19-Pandemie, hohe Energiepreise und Inflationszahlen auf Rekordniveau. In diesen Tagen ist es leicht in einen Strudel von Zukunftsängsten und Sorgen zu geraten. Dabei ist Angst zunächst eine konstruktive und überlebenswichtige Emotion – sie warnt uns vor akuter Gefahr und Bedrohung, mobilisiert unseren Körper (z.B. durch die Erhöhung des Muskeltonus, des Blutdrucks und der Herzschlagfrequenz), um uns auf schnelles Handeln und eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion vorzubereiten. Dieser Alarmzustand kann aber, vor allem wenn er übermäßig lange andauert und unangemessen stark wird, zu Leid führen, uns lähmen und das Urteilsvermögen trüben (der klassische »Tunnelblick«). Die Fähigkeit, die eigene Angst zu regulieren, kann deshalb in ungewissen Situationen mit diffuser Bedrohungslage besonders wichtig sein. Im Folgenden finden Sie zwei imaginative Übungsanleitungen, die im therapeutischen Alltag hilfreich eingesetzt werden können, wenn Patient:innen von Angst in Krisenzeiten zunehmend beeinträchtigt sind.

Übung 1: Angstgedanken durch schöne Gedanken unterbrechen

Mit dieser Technik können Sie üben, aus Angstgedanken »auszusteigen«. Dazu benötigen Sie einerseits Ihre Angstgedanken, andererseits Gedanken an etwas Schönes oder Lustiges, die Sie aufheitern. Lassen Sie sich für beides etwas einfallen!

Vergegenwärtigen Sie sich nacheinander beide Gedanken – sowohl die Angstgedanken als auch die schönen Gedanken. Funktioniert das? Wenn nicht, dann üben Sie es noch ein wenig weiter, bis Sie sich in beide Gedanken gut hineinversetzen können.

Jetzt kommt die eigentliche Übung. Halten Sie Ihre beiden Hände vor sich. In der linken Hand liegen die Angstgedanken, in der rechten Hand die schönen Gedanken. Heben Sie die linke Hand ein wenig, blicken Sie darauf und versetzen Sie sich intensiv in die Angstgedanken. Am besten ist es, wenn Sie sie laut aussprechen. Nach ein paar Sekunden wechseln Sie die Hände. Blicken Sie auf Ihre rechte Hand und sprechen Sie über die schönen Gedanken. Merken Sie, wie das Gefühl hin- und herpendelt?

Wechseln Sie mehrfach hin und her und werden Sie dabei immer schneller. So können Sie lernen, mit den Angstgedanken zu spielen und Distanz zu gewinnen.

Übung 2: Vorstellungsübung zur Angstbewältigung

Diese Übung kann Ihnen helfen, Distanz zu Ihrer Angst zu gewinnen. Vielleicht schaffen Sie es damit sogar, Ihre Angst nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Suchen Sie sich dafür einen ruhigen Ort, an dem Sie ein paar Minuten ungestört sind.

  1. Machen Sie es sich bequem und schließen Sie die Augen. Achten Sie einige Atemzüge lang nur auf Ihren Atem … Dadurch entspannen Sie und werden ganz ruhig.
  2. Vergegenwärtigen Sie sich jetzt Ihre Angst. Wovor haben Sie Angst, wann tritt die Angst auf?
  3. Malen Sie sich aus, welche Gestalt diese Angst haben könnte: vielleicht ein Monster, ein fieser Kobold, eine dunkle Wolke? Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – finden Sie Ihr Bild für die Angst. Wenn Sie es gefunden haben, schauen Sie es sich genau an.
  4. Und jetzt lassen Sie in Ihrer Fantasie ein Bild entstehen, in dem die Angst-Gestalt gebändigt wird. Vielleicht wird der Kobold gefangen oder die dunkle Wolke von der Sonne aufgelöst? Es geht wieder nur um Ihr Bild. Lassen Sie Ihrer Fantasie Raum … Wie fühlt sich das an, wenn die Angst gebändigt wird?

Vielleicht finden Sie ein kleines Symbol für diese Vorstellung, dass Sie in Ihrem Alltag bei sich tragen können – z. B. eine kleine Sonne als Schlüsselanhänger?

Kontrolle zurückgewinnen

Mit diesen zwei imaginativen Techniken können Sie Ihre Patient:innen wappnen, um mit Angst und Unsicherheit in ungewissen Krisenzeiten besser zurechtzukommen. Der oder die Einzelne kann den Ausgang der aktuellen Krisen kaum beeinflussen. Hilfreich gegen ein Gefühl der Überforderung kann es jedoch sein, sich auf die Dinge zu konzentrieren, über die wir Kontrolle haben – wie etwa die Menge und Art der Nachrichten, die wir konsumieren; die Aktivitäten, die wir unternehmen, um »auf andere Gedanken« zu kommen oder eben auch (imaginative) Übungen, um uns aus dem Strudel lähmender Ängste zu holen. So können wir unser Wohlbefinden schützen, auch wenn wir den Eindruck haben, dass die Welt gerade »aus den Fugen gerät«.

© Übungen aus dem Kartenset »75 Therapiekarten Angststörungen« von Christine Zens und Gitta Jacob, erschienen im Beltz Verlag

 

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