5 Tipps zur ethischen Nutzung von Social-Media-Profilen in der Psychotherapie

Immer mehr Psychotherapeut:innen nutzen soziale Medien beruflich. Vielleicht haben auch Sie schon über diesen Schritt nachgedacht. Doch was sollten Sie für einen professionellen Auftritt aus fachlicher Sicht beachten?

Die Vorteile eines beruflichen Auftritts in den sozialen Medien liegen auf der Hand: Sie können Aufklärungsarbeit im psychotherapeutischen Bereich leisten, Ihre beruflichen Angebote bewerben oder Ihren Bekanntheitsgrad steigern. Ein Social-Media-Account kann eine kostengünstige und frei zugängliche Werbemöglichkeit für Sie sein, um Ihre therapeutischen Angebote und Schwerpunkte zu präsentieren.

Allerdings sollten Sie auch die möglichen Risiken und Nachteile in Betracht ziehen, bevor Sie soziale Netzwerke nutzen. Die Pflege eines erfolgreichen Social-Media-Accounts erfordert viel Zeit und Mühe und es besteht keine Garantie für den Erfolg. Sich öffentlich auf einer Plattform der sozialen Netzwerke zu exponieren, birgt auch das Risiko kritischer Reaktionen oder Rufschädigungen. Wenn Klient:innen auch Follower:innen sind, kann es zu ungünstigen Wechselwirkungen zwischen dem Social-Media-Auftritt und der therapeutischen Arbeit in der Praxis kommen. Die Dynamiken und Mechanismen der sozialen Netzwerke, ihre Verlockungen und Erfordernisse bergen zudem zahlreiche Fallstricke (wie z.B. Aufweichungen der fachlichen Standards, Grenzüberschreitungen, Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht oder der Prinzipien der therapeutischen Abstinenz). Es gibt jedoch Möglichkeiten, um die potenziellen Risiken zu minimieren und einen erfolgreichen Social-Media-Auftritt zu pflegen. Allen voran ist es wichtig, sich stets selbst zu reflektieren und die eigenen Motive bei Aktionen in den sozialen Medien zu hinterfragen. Darüber hinaus habe ich Ihnen hier 5 Tipps zusammengestellt, die Ihnen beim Einstieg in die Welt der sozialen Medien helfen können: 

Tipp 1: Überprüfen Sie die Prinzipien der sozialen Medien fachlich-kritisch 

Wie erlangt man in den sozialen Netzwerken viele Likes, Follower:innen oder eine große Reichweite? Für die Antwort dieser Frage gibt es zahlreiche Tipps, Bücher sowie eigene Marketingzweige, die hier Beratung anbieten. Doch Vorsicht, viele Marketingprinzipien der sozialen Medien sind nicht unbedingt für therapeutische Social-Media-Accounts geeignet. Betrachten wir als Beispiel die Empfehlung Follower:innen zum Teilen, Liken oder Bewerben von eigenen Beiträgen, Angeboten oder des Profils aufzufordern (sog. »Call to Action« ). Während dies in den sozialen Medien üblich ist, widerspricht es der Abstinenzregel in der Psychotherapie. Therapeut:innen ist es untersagt eigene Bedürfnisse durch Klient:innen zu befriedigen. Ja, die Aufforderung in einem Social-Media-Beitrag ist nicht direkt vergleichbar mit einer persönlichen therapeutischen Beziehung. Dennoch transportieren Sie durch Ihren öffentlichen Auftritt die Wesenszüge und Kernprinzipien der therapeutischen Haltung. Mein Tipp: Untersuchen Sie darum Social-Media-Marketingempfehlungen immer auf ihre »Therapietauglichkeit«. 

Tipp 2: Setzen Sie sich mit dem Berufsgesetz auseinander

Es ist erfreulich zu sehen, dass es bereits zahlreiche Kolleg:innen gibt, welche die sozialen Medien auf professionelle Art und Weise nutzen, z.B. um Aufklärungsarbeit zu leisten. Obwohl es aktuell noch keine offiziellen Berufsvorschriften gibt, die den Social-Media-Auftritt von Psychotherapeut:innen konkret regeln, ist es wichtig, dass sich jede:r Psychotherapeut:in selbst Gedanken über seine Social-Media-Präsenz macht und berufsrechtliche Aspekte berücksichtigt. Manche Punkte sind hier relativ eindeutig. So ist beispielsweise gut nachvollziehbar, dass auch in den sozialen Medien keine psychotherapeutischen Arbeitsleistungen im Sinne kostenloser Beratungsgespräche verlost werden dürfen. Bei Grauzonen sollten Psychotherapeut:innen stets vorsichtig agieren und im Zweifel lieber auf einen Beitrag verzichten! Die professionelle Kunst besteht darin, zu akzeptieren, dass Sie als Psychotherapeut:in durch die Berufspflichten auf den ersten Blick einen Nachteil im Wettbewerb gegenüber »klassischen Influencer:innen« zu haben scheinen. Die Praxis zeigt allerdings, dass es sehr viele erfolgreiche Accounts gibt, die diesen vermeintlichen Nachteil durch die Qualität ihrer Fachbeiträge aufwiegen. 

Tipp 3: Kennen Sie Ihre narzisstischen Anteile

Die sozialen Medien bieten die Chance, sich selbst und die eigene therapeutische Arbeit öffentlich vorzustellen. Eine interessante Selbstdarstellung belohnt der Algorithmus im besten Fall mit Likes, Follower:innenzuwachs und mehr Reichweite. Das beflügelt den Selbstwert und löst mitunter den Wunsch nach noch mehr Bestätigung aus, welcher wiederum zu mehr Selbstdarstellung ermuntert. Wir sollten uns also bewusst sein, dass die sozialen Netzwerke an unseren narzisstischen Anteilen andocken und nicht in die Falle tappen: Gerade persönliche sowie polarisierende Selbstdarstellungen sind oftmals sehr beliebt und bringen schnell die gesuchte Bestätigung sowie Erfolg. Sie widersprechen jedoch abermals einer fachlich-professionellen sowie abstinenten Präsenz. Bevor Sie etwas posten, empfehle ich Ihnen deshalb immer folgende Selbstreflexionsfragen: Welcher Teil in mir stellt sich gerade dar? Ist es der berufliche Anteil, der sich fachlich-kompetent zeigen möchte? Oder ist es ein persönlicher Teil, der Anerkennung sucht? Wenn Sie spüren können, welche eigenen narzisstischen Teile in Ihnen schlummern und wie diese von den sozialen Medien angesprochen werden, sind Sie klar im Vorteil. 

Tipp 4: Bedenken Sie, dass die sozialen Medien nicht unabhängig von Ihrer praktischen Arbeit sind

Auch wenn ein beruflicher Social-Media-Account einen eigenen Bereich darstellt, ist er mit Ihrer praktischen Arbeit verbunden. Es gibt eine gegenseitige Beeinflussung zwischen Ihrem Profil und Ihrer Tätigkeit als Therapeut:in. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte, die Therapierichtung oder Ihre therapeutische Persönlichkeit beeinflussen die Gestaltung Ihres Contents. Umgekehrt wirken sich der Inhalt und Ihre Aktionen innerhalb des Profils auf Ihr praktisches Berufsleben aus. Sowohl Klient:innen, als auch Kolleg:innen und Arbeitgeber:innen können Ihre Social-Media-Auftritte mitverfolgen. Das kann deren Wahrnehmung von Ihnen beeinflussen. Innerhalb von therapeutischen Beziehungen können sich dadurch unterschiedlichste Dynamiken entwickeln, welche sich auf den Prozess auswirken können. Als Reflexionshilfe bei Aktionen im Raum der sozialen Netzwerke können Sie sich immer fragen: Was wäre, wenn meine Klient:innen und Kolleg:innen diesen Beitrag oder diesen Kommentar von mir sehen? 

Denken Sie daran, dass auch Klient:innen potenzielle Follower:innen sein können und es deshalb wichtig ist, Rahmenbedingungen für den Umgang mit Klient:innen auf Social-Media-Plattformen zu definieren (z.B. keine Terminvereinbarungen oder Kommunikation über den Account). Wenn Sie diese Aspekte beachten, können Sie unerwünschten Effekten entgegenwirken.

Tipp 5: Trennen Sie Persönliches und Berufliches 

Um eine erfolgreiche Social-Media-Präsenz aufzubauen, ist es wichtig, zwischen Ihrem privaten Ich und Ihrem therapeutischen Ich zu unterscheiden und dies bei der Ausgestaltung Ihres Social-Media-Auftritts zu berücksichtigen. Durch diese Unterscheidung können Sie sicherstellen, dass Sie keine persönlichen Informationen preisgeben, die nicht für Ihre Klient:innen gedacht sind. Indem Sie klare Grenzen zwischen Fachbeiträgen und persönlichen Meinungen, sachlichen Informationen und Werthaltungen sowie persönlichen Interessen setzen, können Sie einen fachlich-professionellen Account gestalten, der Ihre Kompetenz und Ihre Professionalität widerspiegelt. Mein Tipp an Sie: Bevor Sie einen Beitrag posten, fragen Sie sich: Würde ich dies auch meinem/meiner Klient:in in der Praxis von mir erzählen? 

Abschließend ist zu sagen, dass das Feld der sozialen Medien in der Psychotherapie relativ neu ist. Auch wenn auf diesem unbekannten Terrain noch Unsicherheit herrscht, ist es schön, dass sich mehr und mehr Kolleg:innen auf dieses wagen und sich fachlich damit auseinandersetzen. Die so gesammelten Erfahrungswerte werden hilfreich sein, um allgemeine berufliche Umgangsweisen mit den sozialen Netzwerken zu etablieren. 

Die Autorin

Julia Neumann

© privat

Mag.rer.nat. Julia Neumann ist Psychotherapeutin, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin in freier Praxis in Baden bei Wien. Bei Beltz hat sie zusammen mit drei Kolleginnen das Fachbuch »Social-Media-Profile in Psychotherapie, Beratung und Coaching - Soziale Medien professionell und ethisch nutzen«  veröffentlicht.

Bitte geben Sie die Zeichenfolge in das nachfolgende Textfeld ein.

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.

Bitte lesen Sie die Datenschutzbestimmungen.

Passende Artikel
Materialien dieses Titels
Materialien dieses Titels

Therapie-Tools Problematische Mediennutzung im Kindes- und...
Alle Arbeitsmaterialien aus dem Therapie-Tools Problematische Mediennutzung im Kindes- und Jugendalter sind hier...

Mediennutzung: Soziale Netzwerke
Die Nutzung sozialer Netzwerke (z.B. WhatsApp, Instagram oder Snapchat) erfüllt einerseits die natürlichen...

Mediennutzung: Medien im Alltag: Multitasking
Multitasking im Zusammenhang mit neuen Medien bezeichnet die gleichzeitige Nutzung zweier oder mehrerer Medien (z.B....

F6 Störung der Impulskontrolle

Mediennutzung: Problematische Smartphone-Nutzung
Smartphones haben sich nicht zuletzt aufgrund ihrer Multifunktionalität, Mobilität und einfachen Handhabbarkeit in...