Biofeedback bei Angststörungen: 10 gute Gründe für den therapeutischen Einsatz

Angst hat viele Gesichter – sie kann lähmen, blockieren oder aus dem Nichts überrollen. Oft wird sie von starken körperlichen Reaktionen begleitet, die für Betroffene schwer einzuordnen sind. Genau hier kann Biofeedback einen wertvollen Beitrag leisten. Es macht physiologische Prozesse sichtbar und trainierbar und eröffnet damit neue Wege im therapeutischen Prozess. Im Folgenden finden Sie zehn gute Gründe, Biofeedback gezielt bei Angststörungen einzusetzen.

1. Körperreaktionen werden sichtbar und nachvollziehbar

Angst äußert sich oft mit körperlichen Symptomen, etwa über Herzklopfen, einer flachen Atmung oder Muskelanspannung. Biofeedback macht diese Prozesse sichtbar – in Echtzeit, zum Beispiel durch Messung von Puls und Hautleitwert. Das stärkt das Verständnis der Klient:innen für die eigenen Symptome und reduziert das Gefühl von Hilflosigkeit.

2. Psychoedukation wird erlebbar

Psychoedukation über Angstreaktionen und -abläufe ist ein zentraler Baustein jeder psychotherapeutischen Angstbehandlung. Biofeedback ermöglicht, dieses Wissen nicht nur »theoretisch«, sondern direkt am eigenen Körper erlebbar zu machen. So kann »live« z. B. demonstriert werden, wie sich Atmung auf die Herzfrequenz auswirkt. Solche Aha-Momente bleiben oft besser im Gedächtnis als rein mündliche Erläuterungen und Lernen wird unmittelbarer und greifbarer. Das steigert die Aufmerksamkeit und motiviert zur Mitarbeit.

3. Die Selbstwahrnehmung verbessert sich

Viele Betroffene erleben ihre Angst »wie aus dem Nichts«. Durch Biofeedback lernen sie, früher auf erste körperliche Anzeichen zu achten, etwa eine sich verändernde Atemfrequenz und Muskelanspannung im Kiefer. Diese Sensibilisierung für körperliche Signale ermöglicht ein früheres Eingreifen, und zwar bevor sich die Angst aufschaukelt. Damit steigt die Chance auf rechtzeitige Selbstregulation.

4. Das Gefühl von Kontrolle wird gestärkt

Ein zentrales Problem bei Angststörungen ist das Empfinden von Kontrollverlust (über den Körper). Biofeedback zeigt: Der Körper ist beeinflussbar. Durch die Möglichkeit, Körpersignale gezielt zu beeinflussen, erleben sich die Klient:innen wieder als handlungsfähig – ein zentraler Faktor für positive Veränderung.

5. Biofeedback fördert die Selbstwirksamkeit

Schon nach wenigen Sitzungen zeigen sich erste Veränderungen – etwa ein ruhigerer Atemrhythmus oder verringertes Stresslevel. Das vermittelt: »Ich kann etwas tun. Ich bin nicht ausgeliefert.“ Diese Erfahrung stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und motiviert, weiter an sich zu arbeiten. In der Psychotherapie gilt Selbstwirksamkeit nicht umsonst als einer der wichtigsten Faktoren für Veränderung.

6. Konkrete Übungen lassen sich leicht in den Alltag übertragen

Ein weiterer Vorteil von Biofeedback liegt in der Praktikabilität: Viele Biofeedback-Übungen, die in der Sitzung erlernt werden, ob Atemregulation oder muskuläre Entspannung, können später auch ohne Gerät geübt werden. Das stärkt die Nachhaltigkeit der Therapie.

7. Der Transfer zwischen Körper und Psyche wird gestärkt

Angst lässt sich nicht »wegdenken«. Doch über den Körperzugang eröffnet Biofeedback einen weiteren Kanal. Besonders hilfreich bei Klient:innen, die schwer über Gefühle sprechen können oder Therapie rein kognitiv erleben.

8. Fortschritte werden sichtbar

Nicht alle Fortschritte in der Psychotherapie sind immer sofort sicht- und spürbar. Subjektive Verbesserungen werden oft spät wahrgenommen. Manche Veränderungen sind auch subtil oder werden erst im Rückblick deutlich. Biofeedback ermöglicht es, auch kleine Fortschritte objektiv zu erfassen und zu dokumentieren – etwa eine geringere Hautleitfähigkeit unter Stress oder eine verbesserte Herzratenvariabilität. Dies wirkt motivierend für beide Seiten.

9. Biofeedback schafft Struktur in schwierigen Phasen

Gerade wenn Gespräche emotional überfordern oder sich im Kreis drehen, bietet Biofeedback eine klare, handlungsorientierte Einheit. Das bringt Stabilität und stärkt die Beziehungsebene.

10. Biofeedback lässt sich gut mit klassischen Methoden kombinieren

Ob in Verbindung mit kognitiver Umstrukturierung, Expositionsverfahren oder achtsamkeitsbasierten Ansätzen – Biofeedback ergänzt viele Methoden sinnvoll. Es ist kein Ersatz, sondern ein wirksamer Baustein im therapeutischen Werkzeugkasten. Dadurch erweitert es den therapeutischen Spielraum und ermöglicht eine individuell-passgenauere Behandlung.

Fazit

Biofeedback ist ein hochwirksames Instrument, um Angst körperlich zu verstehen und zu verändern. Es verbindet Gefühl und Körper, Gespräch und Handlung. Und das genau dort, wo Sprache oft an ihre Grenzen stößt.
Wenn Sie auf der Suche nach einer Methode sind, die das kognitive Arbeiten ergänzt, objektive Rückmeldung gibt und direkt in die Selbstregulation führt, lohnt sich ein Blick auf Biofeedback. Der Einstieg ist oft einfacher als gedacht – und der Nutzen für Ihre Klient:innen kann groß sein.

Die Autorinnen

Dr. Ellena Huse (Dipl.-Psych.) ist als Psychologische Psychotherapeutin niedergelassen in eigener Praxis und als Dozentin und Supervisorin an mehreren Ausbildungsstätten tätig. Den Weg zur Psychotherapie fand sie während ihrer Promotion in der Schmerzforschung an der Universität Tübingen, wo sie das Biofeedback als hilfreiche Technik kennenlernte, um den Zusammenhang von Körper und Geist sichtbar zu machen.
Mag. Bettina Seitlinger ist Klinische und Gesundheitspsychologin und arbeitet als Bio- und Neurofeedbacktherapeutin an der Schnittstelle zwischen Forschung, Geräte-/Software-Entwicklung und klinischer Praxis mit dem Ziel evidenzbasierte, innovative und gleichzeitig praxistaugliche Therapieprotokolle zu entwickeln. Seit 2012 begleitet Sie als Dozentin und Supervisorin angehende Therapeut:innen und kennt daher typische Fragen beim Einstieg in die Biofeedbacktherapie.
Beide haben zusammen das Buch »Therapie-Basics Biofeedback« veröffentlicht.

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