In meiner therapeutischen Praxis greife ich immer wieder zu Bildkarten – und das aus gutem Grund! Bilder haben eine unglaubliche Kraft: Sie sprechen direkt unsere Emotionen und das Unbewusste an. Sie eröffnen Klient:innen neue Zugänge zu ihren inneren Prozessen, sie fördern kreative Einsichten und ermöglichen neue Wege der Selbstwahrnehmung. Durch das Zusammenspiel von Bild und Wort gelingt es, tiefere emotionale Ebenen zu erreichen, die durch rein verbale Kommunikation aus meiner Erfahrung oft nicht zugänglich sind. Für mich sind Bildkarten aber noch weit mehr als nur Werkzeuge für Assoziationen. Sie schaffen Räume, in denen meine Klient:innen sich selbst und ihren Themen auf eine ganz neue Weise begegnen können – intuitiv, visuell und oft überraschend tiefgehend.
Für den Einsatz von Karten gibt es keine starren Regeln – gerade das macht sie so vielseitig. Sie können in der Einzeltherapie genauso eingesetzt werden wie in der Gruppen- oder Paararbeit. Was mich immer wieder fasziniert: Die Wirkung eines Bildes ist so individuell wie die Menschen selbst. Während ein Bild für die eine Person Freiheit bedeutet, kann es bei jemand anderem Unsicherheit auslösen. Das Schöne an der Arbeit mit Bildkarten ist die Freiheit, mit ihnen zu experimentieren und sie an die Bedürfnisse der Klient:innen anzupassen. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt: Sei es, um emotionale Blockaden zu lösen, Perspektivwechsel zu initiieren oder kreative Lösungen zu entwickeln.
Ungewöhnliche Anwendungen und kreative Methoden
Ich möchte Ihnen einige meiner bevorzugten Methoden vorstellen, die zeigen, wie Bildkarten die therapeutische Arbeit auf unkonventionelle Weise bereichern können.
Eine besonders inspirierende Technik ist die »Reise ins Unbekannte«. Hier wählen Klient:innen Bildkarten, die ihre aktuelle Situation und ihre gewünschte Zukunft symbolisieren. Diese Methode regt zu einer intensiven Reflexion an, die sowohl emotional als auch kognitiv ansprechend ist. Die Karten dienen als visuelle Anker und helfen dabei, Wünsche und Ängste greifbarer zu machen. So entsteht eine klare Vorstellung von Zielen und möglichen Wegen dorthin.
Ein weiterer Ansatz, den ich gerne verwende, verbindet Bewegung und Bild. Dabei wählen die Klient:innen Bildkarten aus, die ihre aktuelle Gefühlswelt widerspiegeln und legen diese im Raum aus. Durch das physische Begehen der Karten – das Wechseln zwischen der Gegenwart und der Zukunft – entstehen neue Einsichten und Perspektiven, die vorher vielleicht verborgen blieben. Hier ist der kreative Prozess nicht nur kognitiv, sondern auch körperlich erfahrbar, was den Therapieprozess vertieft und dynamischer macht.
Bildkarten sind aber nicht nur kreative Impulsgeber – sie lassen sich auch wunderbar nutzen, um Gespräche zu strukturieren. So können Sie als »Warm-Up« eingesetzt werden und den Einstieg in eine Therapiestunde oder ein Coaching erleichtern. Während einer Stunde können die Karten eingesetzt werden, um ein Thema zu vertiefen oder einen neuen Impuls zu geben. Und am Ende einer Stunde? Da lassen sie sich perfekt zur Zusammenfassung oder Reflexion einsetzen – als Anker für das Besprochene. Sinnvoll ist es, die Karten vorab nach der entsprechenden Kategorie auszuwählen, um sie passend zum jeweiligen Thema des Klienten bzw. der Klientin in den Gesprächsprozess einzubringen.
Bildkarten in der Biographiearbeit und Trauerbegleitung
Gerade in der Biographiearbeit und Trauerbegleitung sind Bildkarten ebenfalls eine sehr schöne Möglichkeit die therapeutische Arbeit zu bereichern. So können Klient:innen beispielsweise dazu eingeladen werden, sich auf deine »Zeitreise« zu begeben. Dazu wählt der/die Klient:in verschiedene Karten aus, ordnet sie bestimmten Erlebnissen oder Zeitabschnitten in ihrem Leben zu und berichtet über diese. Ein Seil auf dem Boden kann dabei als Lebenslinie dienen, an der die Karten chronologisch angeordnet werden. Auch das Thema Abschied, Tod und Trauer kann so auf sanfte Weise betrachtet werden. Mit den Bildkarten lässt sich auch ein Weg legen, z.B. ein Lebensweg. Dabei kann man die Karten nutzen, um besondere Ereignisse, Entscheidungen oder Stationen des Lebensweges anschaulich zu machen und so bildlich sichtbar und begreifbar zu machen. Mithilfe der Karten kann ein bestimmter Lebensabschnitt reflektiert, erinnert und ggf. verarbeitet werden.
Was mich an der Arbeit mit Bildkarten immer wieder überrascht, ist ihre Fähigkeit, komplexe Emotionen in Bewegung zu bringen. Gerade in schwierigen oder emotional aufgeladenen Phasen sind sie ein ideales Mittel, um Abstand zu gewinnen und zu reflektieren - ohne die Klient:innen dabei zu überfordern. Die Karten eröffnen einen sanften Zugang zu Themen, die schwer in Worte zu fassen sind. So können Sie Ihre Klient:innen beispielsweise dazu einladen, sich eine Bildkarte auszusuchen, die zur aktuellen Gefühlslage passt. Dazu könnten Sie folgende Fragen stellen:
- »Warum haben Sie sich diese Karte ausgesucht?«
- »Was verbinden Sie mit dieser Karte?«
- »Auf einer Skala von 1-10: Wie stark schätzen Sie dieses Gefühl aktuell ein?«
- »Woran würden Sie als erstes erkennen, dass sich an diesem Wert etwas geändert hat?«
- »Woran würden Ihre Mitmenschen das merken?«
So entstehen nicht nur Erkenntnisse, sondern auch Handlungsimpulse, die oft zu konkreten Veränderungen führen können.
In meinen Sitzungen habe ich immer wieder erlebt, wie Klient:innen durch die Auswahl von Bildkarten neue Perspektiven entwickeln, die sie zuvor nicht für möglich gehalten hätten. Die transformative Wirkung von Bildkarten in der therapeutischen Arbeit ist vielfältig. Lassen Sie sich von der unendlichen Vielfalt an Anwendungsmöglichkeiten inspirieren. Vielleicht liegt genau hier der Weg, wie Sie Ihre Therapiearbeit noch kraftvoller gestalten können.
Ihre Susanne Büscher
Die Autorin
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Susanne Büscher ist Diplom-Sozialpädagogin, Seelsorgerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie arbeitet in eigener Praxis im oberbergischen Waldbröl, in der sie Menschen in Lebens- und Beziehungskrisen begleitet. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Themen Selbstwert, Biografie, Kommunikation und Resilienz. Sie ist Autorin zweier Bildkartensets zu den Themen »Lebenswege« (2024) und »Trauer und Abschied« (2025). www.susanne-buescher.com