Nachtdienst, Schlafkästchen, zeitfreier Schlafraum: Impact-Techniken bei Schlafstörungen

Impact-Techniken sind Interventionen, die dabei helfen sollen, die Probleme der Patientinnen erlebbar zu machen und sie kreativ zu überwinden.
Die dargestellten Übungen stellen eine Auswahl wirksamer, für den täglichen therapeutischen Einsatz ganz besonders geeigneter multisensorischer Interventionen [zum Thema »Schlafstörungen überwinden«] dar, die kreativ und aktivierend das volle Engagement der Patientinnen im therapeutischen Prozess hervorzurufen in der Lage sind.

Der dienstfreie Nachtdienst

Schlafbehindernde Kognitionen überwinden zu lernen zählt neben der Psychoedukation zu verbesserten Schlafgewohnheiten zu den wichtigsten psychotherapeutischen Interventionen bei vorliegenden Insomnien, also Schlafstörungen, die mit zu wenig Schlaf verbunden sind. Die folgende Imaginationsübung zum dienstfreien Nachtdienst hilft ebenfalls dabei, schlafbehindernde Kognitionen zu erkennen und sich konstruktive Alternativen zu erschließen.

Und so geht’s

»Nachts im Bett zu liegen und nicht schlafen zu können, ist für die meisten Menschen eine quälende Angelegenheit – aber nicht für alle Menschen in allen Situationen. Stellen Sie sich Folgendes vor: Nachtschwester Sandra hat heute ihren vierten Dienst in dieser Woche. Die letzten Nächte war sehr viel los gewesen: Sie hatte Notfälle zu versorgen, musste sich vermehrt um frisch operierte Patientinnen kümmern und kam nicht dazu, sich auch nur zehn Minuten hinzulegen. Heute Abend hat sie ihren Rundgang schon hinter sich, alle Patienten sind gut versorgt. Es ist 23:00 Uhr und Sandra macht es sich auf der Liege im Nachtdienstzimmer bequem. Es ist 24:00 Uhr und bisher hat niemand nach ihr geklingelt. Es ist 1:00 Uhr morgens und immer noch kann sie sich ungestört und genüsslich auf ihrer Liege ausruhen. Die Nacht vergeht weiter Stunde um Stunde, ohne dass ihre Nachtruhe gestört worden wäre. Zwischendurch ist sie sicher auch ein paar Mal eingenickt. Um 5:30 beginnt sie ihre Morgenrunde, um die Station ordnungsgemäß dem Tagdienst zu übergeben. Wow – was für ein erholsamer dienstfreier Nachtdienst heute Nacht … Ob sie sich heute überhaupt noch einmal hinlegen mag?«
Anschließend werden die von der Patientin erkannten Unterschiede zur vertraut negativen Selbstverbalisation bei ungewolltem Wachliegen herausgearbeitet und angesprochen. Welch ein Unterschied, im Gegensatz zum genüsslichen Wachliegen der Nachtschwester, die sich freut, einfach nur daliegen zu dürfen, einfach nur da sein zu können, einfach nur mit sich selbst sein zu können!

Das Schlafkästchen

Angeblich kam Napoleon mit 3 Stunden Schlaf aus, Edison mit 4 Stunden und Einstein soll 11 Stunden benötigt haben. Die individuell optimale Schlafdauer ist laut Weeß (2016) immer dann erreicht, wenn sich die betreffenden Menschen am Tag ausgeschlafen, leistungsfähig und emotional ausgeglichen fühlen.

Und so geht’s

»Lassen Sie uns heute ein Schlafkästchen der ganz besonderen Art zusammen erarbeiten. Überlegen Sie bitte einmal: Welche Ihrer häuslichen Arbeiten sind für Sie besonders unangenehm, lästig, ermüdend?«
Lassen Sie Ihrer Patientin Zeit, sich all der aversiven Aktivitäten aus ihrer wiederkehrenden To-do-Liste bewusst zu werden. Lassen Sie sich im Detail erklären, welche Aspekte daran für die besonders unangenehm sind und sorgen Sie dafür, dass sie diese plastisch vor Augen hat.
Nun wird das Schlafkästchen aktiviert: »Ich habe hier einige kleine Zettel für Sie vorbereitet. Schreiben Sie bitte jeweils auf einen Zettel eine dieser unangenehmen Tätigkeiten, falten Sie ihn zusammen und werfen Sie ihn dann in diese Box. Machen Sie nun für die nächste Woche folgenden Vertrag mit sich selbst: Wann immer Sie nicht einschlafen können oder nachts aufwachen, entscheiden Sie sich dafür, liegen zu bleiben und zu genießen, dass Ihr Körper Zeit zum Ausruhen hat. Wann immer Sie aber das unbezwingbare Bedürfnis überkommt, Ihr Bett zu verlassen, öffnen Sie Ihr Schlafkästchen, ziehen einen Zettel und führen die darauf beschriebene, Ihnen unangenehme Aktivität für eine Stunde aus. Danach dürfen Sie sich wieder ins Bett legen. Bei Bedarf wiederholen Sie den Vorgang mehrmals.«
In der nächsten Sitzung werden die gemachten Erfahrungen besprochen. In den allermeisten Fällen von rastlosem nächtlichem Umhergeistern führt die konsequente Anwendung des Schlafkästchens zu einer deutlichen Erhöhung der Ruhezeiten mit positiver Auswirkung auf die tägliche Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit. 

Der zeitfreie Schlafraum

Chronische und ausgeprägte Schlafstörungen haben in westlichen Industrieländern eine hohe Prävalenz. Schlafbehindernde Kognitionen und dysfunktionale Schlafgewohnheiten führen dabei häufig zu negativ emotionaler Aktivierung über das Nichtschlafenkönnen. Wut, Ärger, motorische Anspannung und vegetative Aktivierung ihrerseits führen wiederum zur Vertiefung der Schlafproblematik mit ihren negativen Konsequenzen wie Tagesmüdigkeit, Erschöpfung und der zunehmenden Einschränkung sozialer Aktivitäten. Die folgende Impact-Übung hilft, schlafbehindernde Kognitionen zu vermeiden, bevor sie entstehen.

Und so geht’s‘

Bringen Sie in die nächste Stunde den größten Wecker mit, den Sie finden können. Fragen Sie nun Ihre Patientin, wann sie üblicherweise ins Bett geht, und stellen Sie die Zeiger Ihres Riesenweckers auf diese Uhrzeit.
Nun stellen Sie die Zeiger auf dem Wecker um zwei Stunden vor und fragen: »Wenn Sie nun auf den Wecker schauen und sehen diese Uhrzeit und sind immer noch nicht eingeschlafen oder schon wieder wach, was denken Sie dann üblicherweise?«
Wiederholen Sie diese Frage noch zweimal, jeweils verbunden mit einem Zeitsprung von zwei weiteren Stunden mit dem Wecker.
Erklären Sie nun: »Sie sehen, jeder Blick, den Sie nachts auf den Wecker werfen, bewirkt Unmut, Ärger und Anspannung über Ihr Wachsein. Ich möchte Sie deshalb einladen, sich bis zum nächsten Mal einen zeitfreien Schlafraum zu gönnen: Stellen Sie sich sicherheitshalber drei lautlos tickende (oder digitale) Wecker in Ihr Schlafzimmer und programmieren Sie sie auf die gewünschte Aufwachzeit. Stellen Sie sie jedoch so auf, dass Sie die Zeitanzeige nicht sehen können.« Jetzt »zaubern« Sie drei kleine Reisewecker hervor und stellen sie vor Ihrer Patientin auf. Natürlich mit der ihr zugewandten Rückseite.
»Wann immer Sie jetzt nachts wach liegen und auf Ihre Wecker schauen, werden Sie wissen, Sie können noch gemütlich liegen bleiben, denn keiner der drei hat sich bisher gemeldet. Das alte Katastrophenrad in Ihrem Kopf – ›Oh, schon so spät‹ oder ›Oh, noch so früh‹ kommt zum Stillstand. Es ist immer einfach nur jetzt.«

Leseprobe aus: Kowarowsky, G. & Puttkamer, C. v. (2018). Impact-Techniken. 75 Therapiekarten. Weinheim: Beltz.

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