Salutogeneseorientierte Interventionen legen Wert darauf, zu entpathologisieren und zu normalisieren. Auch fragen sie, wie es Menschen gelingt, trotz Belastung gesund zu bleiben bzw. wieder gesund zu werden oder was seelisch gesunde Menschen tun, das weniger Gesunde von ihnen lernen könnten (Reddemann, 2009). Der Fokus liegt also nicht auf der Frage, was den einzelnen Patienten Schlimmes widerfahren ist, sondern darauf, wie sie mit dem Schlimmen bis jetzt fertig geworden sind und was helfen kann, in Zukunft noch besser damit fertig zu werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Konstruktion von Möglichkeiten und dem Auslösen des Zustands der Selbstorganisation. Dazu eignen sich folgende Fragetechniken, die im Gespräch oder der jeweiligen Diskussionsrunde leicht einfließen können.
Wunderfragen
Sie aktivieren und lenken die Fantasie unmittelbar in Richtung Lösungs- bzw. Zielvision. Es können Veränderung fantasiert werden, ohne sich gleich schon für die Herstellung verantwortlich fühlen zu müssen. Zudem kann festgestellt werden, dass das, was man nach dem Wunder tun würde, gar nichts Übernatürliches ist, sondern schlichte, handfeste Tätigkeiten sind. Beispiele: »Wenn das Problem über Nacht plötzlich verschwunden wäre, woran würden Sie es bemerken, nachdem Sie aufgewacht sind? Was würde Ihnen durch den Kopf gehen? Was würden Sie am Morgen danach als Erstes anders machen? Was danach? Wer würde es in Ihrer Umgebung als erstes merken? Was würden Menschen um Sie herum anders machen? Was würden Sie am meisten vermissen in Ihrem Leben, wenn das Problem plötzlich weg wäre? Woran würde ich erkennen, dass es weg ist?«
Skalierungsfragen
Sie verdeutlichen minimale Unterschiede in der Bewertung des Erlebens eines Menschen. Sie erleichtern den Befragten, den Fokus der Aufmerksamkeit auf bisher erreichte Fortschritte zu richten. Zudem sind sie ein ausgezeichnetes Mittel, um den Verlauf einer Therapie oder den Aufenthalt in der Klinik hinsichtlich seiner Wirksamkeit einzuschätzen. Beispiele: »Angenommen, Sie würden Ihr momentanes Wohlbefinden/die Annäherung an Ihr Ziel auf einer Skala von Null bis Zehn einordnen, wo wären Sie jetzt? Und wo auf der Skala waren Sie, als Sie die Therapie begonnen haben bzw. in die Klinik eingetreten sind? Angenommen, Sie möchten Ihr Wohlbefinden/die Annäherung ans Ziel um 0,5 Punkte auf dieser Skala steigern, was müssten Sie dann tun? Wie könnten Sie es schaffen, sich um zwei Punkte auf dieser Skala zu verschlechtern? Nehmen wir an, Ihre Motivation/Hoffnung hat sich um einen Grad verbessert, woran würde ich das hier in der Therapie/wir das hier in der Gruppe merken? Wer würde es als erstes außerhalb der Therapie/Klinik merken? Was würde er bemerken? Wie würde diese Person darauf reagieren?
Fragen nach (positiven) Ausnahmen
Die Frage nach Ausnahmen von Problemen fokussiert sofort auf die bereits erfahrenen Lösungen und die Kompetenzen, die zur Erreichung einer Lösung bereits gezeigt wurden. Beispiele: »Wann ist das Problem nicht da oder weniger stark? Wie oft, wie lange ist das Problem nicht aufgetreten? Was machen Sie oder andere in diesen Zeiten anders? Wann war Ihr Problem gar nicht, weniger häufig bzw. weniger intensiv vorhanden? Was zeigte sich da? Wie haben Sie es geschafft, in diesen Zeiten das Problem nicht auftreten zu lassen? Was haben Sie gemacht? Wie haben für Sie relevante Personen reagiert?«
Präsuppositionen
Hier wird eine Frage so formuliert, dass ein Zustandekommen eines Ziels nicht bezweifelt, sondern als selbstverständlich angenommen wird. Es wird also nicht danach gefragt, ob ein Vorhaben zur Verbesserung der Situation umgesetzt wird, sondern wann. Damit soll suggeriert werden, dass es außer Frage steht, dass es passieren wird. Beispiele: »Herr xy, bevor wir mit dem neuen Thema beginnen, möchte ich Sie fragen, was haben Sie seit der letzten Sitzung unternommen, damit es Ihnen besser geht? Werden Sie Ihr Vorhaben bereits in dieser Woche oder in der kommenden Woche umsetzen?«
Lösungsorientierte Fragen/Fragen nach Ressourcen
Sie dienen der Möglichkeitskonstruktion. Beispiele: »Was machen Sie gerne, was macht Ihnen Spaß? Gibt es Lebensbereiche, in denen Sie sich wohl und kompetent fühlen, welche? Was machen Sie gerne/gut? Was gelingt Ihnen? Was müssen Sie tun, um mehr davon zu machen? Was schätzen andere an Ihnen? Was sollte in Ihrem Leben bleiben, wie es ist? Wie würde Ihre Familie/Partnerin/Kollegen reagieren, wenn Sie sich zutrauen würden, das und das anzupacken?«
© Leseprobe aus: Therapie-Tools Ressourcenaktivierung von Tina Gruber, erschienen bei Beltz.