In kleinen Schritten für sich sorgen – und für die Patient:innen [Teil 1]

Jeder kennt die Durchsage der Stewardessen vor dem Start eines Flugzeuges: Wenn bei einem Abfall des Kabinendruckes Sauerstoffmasken von der Decke fallen, sollen Passagiere zuerst »an sich selbst denken« und sich ihre eigene Maske aufsetzen, bevor sie versuchen, anderen beim Aufsetzen der Maske zu assistieren. Damit wird sichergestellt, dass zum Schluss nicht beide wegen Sauerstoffmangels ohnmächtig werden – denn: nur wenn ich nicht selbst um Luft ringe, kann ich anderen helfen. Und dieses Prinzip funktioniert auf dem Boden genauso wie in der Luft: Psychotherapeut:innen, die ihr eigenes psychisches und körperliches Wohlbefinden vernachlässigen, haben möglicherweise irgendwann nicht mehr »genug Sauerstoff«, d.h. Energie und Ressourcen, um sich um das Wohlergehen ihrer Patient:innen zu kümmern.

Psychotherapeut:innen sollen gesund bleiben: Belastungen des Berufs

Die meisten Psychotherapeut:innen lieben ihren Beruf: Die psychotherapeutische Tätigkeit ist ausgesprochen lohnenswert und befriedigend, immerhin haben Psychotherapeut:innen mit ihrer Arbeit vielfach einen positiven Einfluss auf das Leben und das Wohlergehen ihrer Patient:innen. Die tagtägliche empathische Unterstützung von Patient:innen, die sich in ihrer Not an sie wenden und ihnen emotional schwierige, mitunter traumatische Erlebnisse anvertrauen, kann aber auch ziemlich kräftezehrend und belastend werden. Zudem sind Psycholog:innen– genauso wie ihre Patient:innen – neben ihrem Praxis- oder Klinikalltag mit den persönlichen Herausforderungen des Alltags (wie der Betreuung kleiner Kinder oder der Pflege alternder Eltern) konfrontiert. Sie jonglieren mit einer Vielzahl von Anforderungen und sind dabei auch als Expert:innen nicht »immun« gegenüber Stress. Gerade deshalb profitieren Psychotherapeut:innen davon, sich ihren eigenen therapeutischen Rat zu Herzen zu nehmen: eigene Stressoren bewusst machen, persönliche Stresswarnzeichen erkennen und den eigenen »Sauerstofftank« wieder auffüllen.

Kennen Sie eigentlich Ihre Grenzen? Überstunden machen, große Fallzahlen, viele Patient:innen mit Traumata, lange Praxiszeiten oder Anrufe von Patient:innen auch nach Feierabend entgegennehmen, wenig Urlaub – haben Sie sich entdeckt? All dies kann auf Dauer Überforderung und Erschöpfung hervorrufen und sich auch auf die Qualität der Behandlung auswirken. Bei vollen Terminkalendern und hektischem Hin-und-Her-Eilen zwischen Sitzungen macht es daher durchaus Sinn zu überlegen, wie die eigene Arbeitsbelastung angepasst und die Work-Life-Balance verbessert werden kann. Das Setzen gesunder Grenzen und auch öfters einmal »Nein« sagen, wenn die Belastung zu groß wird, sind dabei wichtige Elemente.

Acht Gründe für mehr therapeutische Selbstfürsorge

Selbstfürsorgestrategien sind Psychotherapeut:innen ziemlich gut vertraut, schließlich »lehren« sie diese ihren Patient:innen Tag für Tag. Dennoch kann es auch für sie eine ganz persönliche Herausforderung sein, Selbstfürsorge im eigenen Leben in die Tat umzusetzen. Dabei gibt es gute Gründe für das proaktive Angehen von Selbstfürsorge für Therapeut:innen (APA, 2009):

Selbstfürsorge… 

  • reduziert berufsbezogene Risiken wie Burnout und Mitgefühlsmüdigkeit,
  • hilft beim Aufbau und der Aufrechterhaltung der eigenen Resilienz,
  • wirkt als „Vorbild“ und Verhaltensmodell für ein gesundes Verhalten für Patient:innen,
  • fördert die Qualität der Behandlung,
  • verbessert die therapeutische Fähigkeit zur Empathie,
  • stärkt die Therapeuten-Patienten-Beziehung,
  • verbessert das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen und
  • trägt schlussendlich zu einer realistischen Zielsetzung bei.


Glücklicherweise geht es bei dem Thema Selbstfürsorge nicht darum, den ohnehin vollen Terminkalender mit zusätzlichen Verpflichtungen zu füllen oder darum Investitionen in teure Programme zu machen, stattdessen geht es darum, sich zunächst erst einmal zu fragen » Wie geht es mir im Moment? Was brauche ich gerade? Wie läuft das der Tag/die Woche bisher für mich? Was könnte ich tun, damit es mir besser geht?«. Diese Selbstwahrnehmung der Balance im Leben – zwischen Geben und Nehmen, zwischen Pflichten und Erholung – ist der erste Schritt zu einem bessere Wohlbefinden.

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