Kommunikation in der Klinik: Das Visitengespräch

Patienten befinden sich im Krankenhaus in einem sensiblen psychischen Zustand, der sich auf die Kommunikation zwischen Patient und Klinikpersonal auswirkt. Dieser Zustand kann geprägt sein von Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen, aber auch von Sorge, Angst, Verwirrtheit und Misstrauen. Mit der Einstellung »Das wird schon werden. Die Ärzte werden mir helfen« ist die Kommunikation zwischen Patient und Klinikpersonal am wenigsten beeinträchtigt. Häufig befinden sich Patienten aber in einer negativen »Krankheitstrance«, in der sie körperliche Veränderungen sensibler wahrnehmen, diese negativ interpretieren und ängstlich reagieren. Die Kliniksituation bietet viele Möglichkeiten für Missverständnisse und Fehlinterpretationen. Gründe dafür sind u. a. mögliche Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit der Patienten durch die Erkrankung oder die Medikation, veränderter emotionaler Zustand der Patienten, häufige Verwendung von medizinischen Fachbegriffen des Klinikpersonals, Zeitnot und fehlende Empathie des Klinikpersonals oder die ängstliche Haltung der Patienten. Die Einstellung der Patienten gegenüber ihrer Behandlung, die sogenannte Behandlungscompliance, ist eine bedeutende Größe für den Genesungsprozess. Einen wichtigen Beitrag für eine positive Einstellung gegenüber der Behandlung (hohe Behandlungscompliance) kann dabei eine an die Patienten angepasste Kommunikation leisten.

Wie gelingt ein Visitengespräch?

Die Visite in der Klinik ist für Patienten häufig der einzige Kontakt am Tag zu ihrem Arzt oder Therapeuten. Dementsprechend ist die Bedeutung der Visite für Patienten sehr hoch. Hoch ist allerdings oft auch die Unzufriedenheit der Patienten mit der Visite. Zahlreiche Publikationen (u. a. Geisler, 2002; Westphale & Koehle, 1982) belegen, dass Visiten aus folgenden Gründen oft ungünstig verlaufen:

  • Asymmetrie der Gesprächspartner
  • Sprechanteile der Patienten sind gering.
  • Patienten werden rasch unterbrochen.
  • Behandler sprechen miteinander vor dem Patienten über ihn, nicht mit ihm.
  • Behandler benutzen viele Fachbegriffe.
  • Patienten bekommen zu wenig Raum für Fragen.
  • Patienten fühlen sich nicht ernstgenommen.

Ursachen für die Unzufriedenheit der Patienten können in den unterschiedlichen Zielsetzungen von Behandlern und Patienten liegen: Während Behandler den Fokus auf körperliche Symptome, Diagnoseerstellung, Dokumentation des Krankheitsverlaufs, Untersuchungsergebnisse, Einstellung der Medikation und Auswahl der Interventionen legen und eher sachlich agieren, sind die Ziele der Patienten emotionaler und betreffen das Bedürfnis nach Information über Dauer und Schwere der Erkrankung, nach Mitteilung über körperliche und psychische Veränderungen sowie nach Mitbestimmung.

Folgende Aspekte tragen zu einer positiveren Visitensituation bei:

  1. empathisches Einfühlen in den Patienten kurz vor Betreten des Patientenzimmers (z. B. durch die Vorstellung der Behandler, sie wären in der Situation des Patienten)
  2. Der Patient macht sich vorher auf einem standardisierten Formular der Klinik Notizen, was er in der Visite besprechen will.
  3. Der Austausch zwischen den Behandlern über den Patienten findet außerhalb des Patientenzimmers vor und/oder nach dem Visitengespräch statt.
  4. Eine Bezugsperson (Stationsarzt, behandelnder Therapeut) führt das Gespräch mit dem Patienten, während die anderen Teilnehmer der Visite das Gespräch mit räumlichem Abstand verfolgen.
  5. Die Bezugsperson, die das Visitengespräch mit dem Patienten führt …
    – setzt sich auf Augenhöhe neben das Bett.
    – ist um eine angepasste Sprache bemüht und vermeidet Fremdwörter.
    – hält Blickkontakt und schaut nicht in die Akten.
    – holt sich Feedback ein, ob alles verstanden wurde.

© Leseprobe aus: Therapie-Tools Kommunikation von Kathrin Ripper und Jürgen Ripper, erschienen bei Beltz.

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