Mia für PiA: Wohin soll die Reise gehen?

Hey! Schön, dass ihr wieder dabei seid. Ich bin Mia, 29 Jahre alt und angehende Psychotherapeutin. Für den neuen psychotherapie.tools-PiA-Blog nehme ich euch mit in meinen Alltag voller Abenteuer als Psychotherapeutin in Ausbildung. Also: Legt das Klemmbrett aus der Hand und begleitet mich … in eine Zeit, in der ich mich ganz schön mit einer Entscheidung quälen musste. 

Wie eine fremde Sprache

»Gegenüber was?«, ich stöhne entnervt und werfe meinen Lernhefter vom Sofa. Meine Freundinnen Lina, Elli und ich lernen für eine klinische Klausur und es ist verdammt frustrierend. Die Foliensätze sind hunderte Seiten lang und haben ein wildes Neunzigerjahre-Design: blauer Hintergrund mit Reflexionseffekt, die Überschriften grellgelb, dazu viel Text – weiß, winzig und kaum lesbar. »Gegenübertragung!«, erklärt mir Lina, »Das kommt aus der Tiefenpsychologie und bezeichnet quasi das, was ein:e Therapeut:in auf eine:n Patient:in überträgt.« »Klingt ziemlich schwammig«, befinde ich. Ich kann mit den Begriffen auf den Folien kaum etwas anfangen. Die Erklärung des einen Begriffs enthält wieder einen Begriff, den ich nicht kenne, und die Erklärung dieses Begriffs enthält genauso einen Begriff, den ich…»Mach dir keinen Kopf, Mia!«, stimmt Elli Lina zu. »Diese tiefenpsychologischen Begriffe sind am Anfang ein bisschen wie eine fremde Sprache. Je mehr du in das Thema reinkommst, desto mehr verstehst du, was gemeint ist.« Vermutlich hat sie Recht.

Welche Therapieverfahren gibt es eigentlich nochmal?

So langsam habe ich nur das Gefühl, dass mir die Zeit abläuft, diese neue Sprache zu verstehen. Der Bachelor neigt sich dem Ende zu und ich weiß jetzt, dass ich Psychotherapeutin werden möchte, aber noch nicht, welche Therapierichtung zu mir passt. Welche Therapieverfahren gibt es eigentlich nochmal? Gedankenversunken blättere ich weiter durch die klinischen Vorlesungsfolien. Eine psychoanalytische Ausbildung kommt für mich überhaupt nicht in Frage, schon allein, weil die Ausbildung so teuer ist. Aber auch, weil ich sie sehr mit Sigmund Freud assoziiere … ist das heute überhaupt noch zeitgemäß?

Die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist mir oft nicht nur wegen ihrer für mich oft noch schwer verständlichen Sprache fremd. Auf den nächsten Folien über die Tiefenpsychologie steht, dass sie inzwischen schon sehr gut wissenschaftlich erforscht ist und es auch viele neue Entwicklungen wie zum Beispiel die Mentalisierungsbasierte Psychotherapie gibt. Wie interessant! Ich habe gehört, dass man die Tiefenpsychologie oft sehr viel besser versteht, wenn man die OPD (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik), quasi das Diagnosehandbuch der Psychodynamik, mal gelesen hat. Das nehme ich mir vor, denn ich merke, dass ich mich hier einfach noch gar nicht so gut auskenne.

Dann gibt es ja auch noch die Systemische Therapie – die demnächst auch von den Krankenkassen zur Abrechnung anerkannt werden soll. Die Idee, das Umfeld eines Menschen mit in die Therapie einzubeziehen, klingt für mich sehr spannend. Es scheint in Moment aber eher Weiterbildungen und Ausbildungen ohne Approbation zu geben. Eine Approbation ist mir aber sehr wichtig, sie scheint mir etwas mehr finanzielle Sicherheit und eine einigermaßen gesicherte Anerkennung für meinen späteren Beruf als Therapeutin zu sichern. Und apropos Finanzen: Auch hier sind die Unterschiede in der Finanzierung der verschiedenen Verfahren ja ziemlich groß. Am längsten und teuersten ist die psychoanalytische Ausbildung: mindestens 6 Jahre Dauer und Kosten von ca. 75-80.000 Euro Kosten werden hier veranschlagt. Ganz schön happig! Die tiefenpsychologische Ausbildung erscheint da mit 3-5 Jahren Dauer und etwa 50.000 Euro Kosten immer noch stattlich, aber machbarer, und die Verhaltenstherapie mit 3-5 Jahren Dauer und ca. 15-20.000 Euro Kosten am ehesten in meiner Reichweite. Die Grundvoraussetzungen sind für alle Verfahren offenbar in etwa gleich: ein klinischer oder vergleichbarer Master. Sehr verwirrend finde ich, dass die einzelnen Institute offenbar jeweils eigene Zulassungsvoraussetzungen haben. Ich kenne mich noch nicht mal mit den einzelnen Therapieverfahren besonders gut aus, wie soll ich da jetzt schon spezifische Voraussetzungen sammeln? Ein Schritt nach dem anderen, sage ich mir innerlich.

Ein Schritt nach dem anderen

Ich habe die Kostensummen für die Therapieausbildungen zwar schon zuvor gesehen, sie lassen mich aber auch beim wiederholten Lesen ganz schön schlucken. Woher soll man so viel Geld nehmen? Geld ist irgendwie so ein unangenehmes Thema, über sowas spricht man ja eigentlich nicht. Oder doch? »Wie wollt ihr das eigentlich machen mit der Finanzierung von der Therapieausbildung?«, platzt es aus mir heraus. »Ähm ... also … uff«, ich merke an Linas Reaktion, dass ich nicht gerade ein Small Talk-Thema eröffnet habe. »Irgendwie ist es ganz ungewohnt, so offen über Geld zu reden. Aber voll wichtig, dass du fragst! Ich nehme einen Kredit auf«, erklärt mir Lina. »Es gibt so spezielle Kredite für medizinische Weiterbildungen und sowas. Da bekommt man teilweise sehr gute Konditionen, weil man ja später relativ sicher verdienen kann. Es gibt aber auch Institute, bei denen man die Kosten quasi direkt mit den Therapiestunden für die Ausbildung begleichen kann.« Ich nicke. Das wäre natürlich eine Option. Sicher gibt es auch noch weitere, die ich erst noch recherchieren müsste. Nichtsdestotrotz: wenn ich mir die Geldsummen in der Vergleichstabelle so ansehe, schwirrt mir ganz schön der Kopf. Ich seufze erschöpft und klappe meinen Lernhefter ziemlich unmotiviert wieder auf. Plötzlich springt mir eine Überschrift entgegen: »Zukunft der Therapieschulen«. Auf der Folie wird Klaus Grawe zitiert. Die Psychotherapie sei »im Wandel«, die Therapieschulen sollten sich nach aktuellem Forschungsstand voneinander aller nützlichen Methoden für das ihr gleiche Ziel bedienen: der Wirkung der Therapie. Nicht Entweder-oder, sondern alles, was hilft! Die therapeutischen Verfahren, so stelle ich fest, sind bei genauerem Hinschauen manchmal gar nicht so verschieden, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag: Auch die Verhaltenstherapie schaut sich die Entwicklungsgeschichte eines Menschen an. Ebenso betrachten einige verhaltenstherapeutische Ansätze, ähnlich wie die psychodynamischen Ansätze, die zwischenmenschliche Dynamik innerhalb der therapeutischen Beziehung und leiten daraus Erkenntnisse über Verhaltens- und Erlebensmuster der Patient:innen ab.

Ich gehe los ... auf meinem Weg

Bis zu dieser »Versöhnung der Therapieschulen« ist es vielleicht noch ein weiter Weg, aber die Erkenntnis, dass sie möglich sein könnte, würde für mich ja vielleicht wirklich bedeuten, dass ich mich nicht heute ein für alle Mal festlegen muss und danach nie wieder ein anderes Verfahren kennenlernen kann. Vielleicht muss ich also gerade gar nicht für ein finales Ziel meiner Reise als Therapeutin in Ausbildung entscheiden? Sondern viel eher überlegen, welches Gebiet der Therapieverfahren ich zuerst erkunden möchte?

Jetzt gerade passt die Verhaltenstherapie inhaltlich und finanziell am besten zu mir. Mir gefällt, dass diese Therapieform sehr evidenzbasiert und strukturiert ist, das gibt mir Orientierung und ein sicheres Gefühl. Außerdem ist sie für eine Vielzahl von Störungsbildern geeignet und ich mag Abwechslung und vielseitige Herausforderungen! Dass ich mich als Verhaltenstherapeutin sehr stark an den Zielen meiner Patient:innen orientiere, gibt mir außerdem das Gefühl, ihnen auf Augenhöhe begegnen zu können. Und wenn ich später noch mehr über andere Verfahren dazulernen kann, umso besser! Solange mich mein Fernweh auf zu neuen Entdeckungen ruft, wird dieser Weg der Richtige sein!

Tags: Mia für PiA
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