Endlich ist es soweit und du hast eine Stelle als Psychotherapeut:in im Praktikum (PiP) gefunden. Nun geht es an die Vorbereitung der Klinikzeit. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie aufregend diese Zeit für mich war. Schon die Suche und Auswahl einer Klinik, die eine faire Bezahlung bietet und nicht zu weit weg gelegen ist, war damals richtig nervenaufreibend für mich. Ich habe mich damals entschieden, die Zeit meiner Praktischen Tätigkeit (PT-Zeit bestehend aus 1.200 Stunden PT1 und 600 Stunden PT2 nach der alten Ausbildungsordnung) in einer psychiatrischen Suchtklinik und einer Reha-Klinik im Umland meiner Stadt zu absolvieren. Sicher ist jede PT-Stelle, jede Klinik und nicht zuletzt jede:r PiPler:in anders, aber einige Herausforderungen stellen sich sicherlich fast allen. Deswegen habe ich euch heute die fünf wichtigsten Tipps für einen gelungenen Klinikstart gesammelt! Kleiner Spoiler: Gelungen heißt nicht, immer alles sofort richtig machen zu müssen, sondern viel eher, bei diesem Sprung ins kalte Wasser recht schnell eine Orientierung zu finden.
Tipp Nummer 1: Sei geduldig mit dir selbst!
In der Regel haben wir PiAs durch unser Psychologiestudium und dem ein oder anderen ersten Seminar in der Therapieausbildung schon einiges an theoretischem Wissen gesammelt. Ich persönlich hatte jedoch – und damit kann ich wahrscheinlich für einige meiner Mit-PiAs sprechen – sehr wenig praktische Kenntnisse, als ich in mein Klinikjahr gestartet bin. Man kann Störungsbilder in- und auswendig kennen, aber dieses Wissen ersetzt einfach nicht echte Menschen und ihre Probleme persönlich kennenzulernen. Nur durch wiederholten Patientenkontakt kannst du ausprobieren, wie du eine therapeutische Beziehung aufbauen kannst und was dabei deine Stärken und Schwächen sind! Auch auf schwierige zwischenmenschliche Situationen kann man sich nur bedingt vorbereiten: Man muss sie erleben, um zu wissen, wie es einem damit geht und welcher Umgang hier am besten weiterhilft. Fehler machen in der Klinikzeit und ein wiederkehrendes Überforderungsgefühl sind also ganz logischerweise, zumindest am Anfang, deine Begleiter. Sieh es nicht als Zeichen deines persönlichen Versagens, wenn nicht gleich alles klappt. Erfahrung kommt wirklich erst durchs Tun. Genau diese Schwierigkeiten sind deine Chance, das Therapeuten -Dasein zu erlernen. Auch wenn diese Zeit mich häufig an meine fachlichen und persönlichen Grenzen gebracht hat, habe ich rückblickend extrem viel daraus mitgenommen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse war sicherlich, dass sich Geduld auszahlt: Es wird nicht immer so überfordernd wie am Anfang bleiben! Außerdem: Du musst nicht perfekt vorbereitet sein, viele Dinge kannst du dir auch in der Klinikzeit nach und nach erschließen. Und auch wenn die Verantwortung am Anfang etwas furchteinflößend sein kann: Du kannst so viel von deinen Patient:innen lernen, sie zeigen dir von ganz allein, was sie gerade von dir brauchen. Schließlich gehst du ihren Therapieweg mit ihnen gemeinsam und musst nicht alles vorgeben!
Tipp Nummer 2: Versuche, die Dynamiken in der neuen Klinik zu verstehen!
Kliniken sind sehr besondere Arbeitsorte. Hier kommen sehr unterschiedliche Menschen mit ganz verschiedenen Hintergründen zusammen und haben eine sehr schwierige, aber gemeinsame, Herausforderung vor sich: Unter meist schwierigen Arbeitsbedingungen wie Zeitdruck und Personalmangel Menschen in Problemlagen zu helfen. Es ist also nicht verwunderlich, dass hier auch mitunter außergewöhnliche Dynamiken das soziale Miteinander bestimmen. Damit du einen gelungenen Start hinlegen kannst, kann es ungemein helfen, deine sozialen Fühler als Therapeut:in auszufahren! Schau dich um und beobachte, wer mit wem kann und welche Spannungsfelder sich in deiner Klinik vielleicht auftun. Was sind Erwartungen an dich, mit wem arbeitest du zusammen? Stelle dich vor und bring dich als Teamplayer:in ein: Pflegekräfte, Ergotherapeut:innen, Sozialtherapeut:innen, Sekretär:innen, Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen usw. tragen in der Patientenbehandlung alle einen wichtigen Teil bei, damit es den Patient:innen am Ende besser geht. Interesse an deinen neuen Kolleg:innen zu zeigen und Wertschätzung an ihrer Arbeit während eurer Zusammenarbeit auszudrücken kann meiner Erfahrung nach entscheidend sein, denn gerade in eingefahrenen Krankenhaushierarchien kommt genau das oft zu kurz und sorgt für viel Frust untereinander. An vielen Kliniken bringt man Kuchen für besondere Anlässe wie Geburtstage mit. An wieder anderen ist es ein absolutes No-Go, die Kaffeetassen deiner Kolleg:innen zu benutzen! Finde heraus, worauf es deinen neuen Kolleg:innen ankommt.
Es kann oft eine sehr unangenehme Rolle sein, als PiPler:in mit wenig Berufserfahrung bereits von Anfang an viel Patientenverantwortung übertragen zu bekommen. Ich fand es sehr hilfreich, meinen neuen Kolleg:innen zu kommunizieren, dass ich ihre teilweise jahrelange Expertise zu schätzen weiß und mir zu Herzen nehmen möchte. Und wenn du mal nicht weiterweißt: Du darfst fragen, fragen, fragen! Schließlich bist du im Rahmen deiner Ausbildung in der Klinik, nutze die Zeit also bestmöglich für dich!
Und am allerwichtigsten: Finde Kolleg:innen, denen du vertraust und tu dich mit anderen PiPler:innen zusammen. Tauscht euch aus und helft euch gegenseitig! Dieses Miteinander ist in der anfänglichen Überforderung der Klinikzeit einer meiner wichtigsten Anker gewesen. Und einige meiner Klinikkolleg:innen sind mir in dieser wilden Zeit so sehr ans Herz gewachsen, dass sie nach wie vor enge Freund:innen für mich geblieben sind.
Tipp Nummer 3: Stell dich auf Veränderung in deinem Leben ein
Die Klinikzeit deiner Psychotherapieausbildung kann super herausfordernd werden. Vielen setzen die frühen Arbeitszeiten in der Klinik zu und die schlechte Bezahlung lässt viele von uns PiPler:innen oft verzweifelt ins leere Portemonnaie schauen. Wer außerdem den ganzen Tag damit beschäftigt ist, sich auf neue zwischenmenschliche Situationen innerhalb der Therapiesitzungen einzustellen, hat häufig in privaten Beziehungen einfach weniger emotionale Kapazitäten übrig. Hinzu kommen die häufig geblockten Wochenenden aufgrund der Theorieausbildung – wer soll da noch mit seinem/ihrem Privatleben hinterherkommen? Es kann eine große Hilfe sein, deine Freund:innen, Partner:in und Familie mit ins Boot zu holen und ihnen zu erklären, was du gerade alles bewältigen musst. Vielleicht könnt ihr gemeinsam besprechen, wie ihr euch darauf vorbereiten wollt und welche Kommunikation euch dabei wichtig ist. Mir hat es sehr geholfen, offen über meine Probleme zu sprechen. Übrigens auch über Geldprobleme! Denn seit meiner Ausbildung habe ich –… nun ja, nicht wirklich viel Geld zur Verfügung. Es hat mir nicht nur geholfen, mit meinen Freund:innen darüber zu sprechen, sondern ich habe auch den ein oder anderen Tipp bekommen, wie ich mit Geldknappheit umgehen lernen kann. Und ich habe gemerkt, dass ich mit diesem Problem gar nicht so alleine bin wie ich dachte. Wenn du, wie ich, nicht gerade eine Lerche bist, wirst du auch deine Schlafgewohnheiten etwas umstellen müssen. Auch eine gute Zeitplanung für deine Freizeitwird unerlässlich, wenn du nicht mehr so lange aufbleiben kannst, wie es dir vielleicht gerade gut passt.
Tipp Nummer 4: Sorge für Ausgleich und lerne, dich abzugrenzen!
Dieser Tipp ist auch für dein weiteres Therapeuten-Dasein unerlässlich! Unser Job ist emotional, aber auch physisch sehr belastend. Es ist daher unumgehbar, für guten Ausgleich in deinem Leben zu sorgen. Sei es regelmäßiger Sport, achtsame Entspannung oder Zeit mit deinen Freund:innen. Finde dein persönliches Rezept, wie du langfristig deine mentale Gesundheit aufrechterhalten kannst. Ich fand es auch wichtig zu lernen, dass ich mich mal abgrenzen darf. PiPlerinnen stehen häufig vor riesigen Anforderungen. Es ist ok, auch mal zurückzumelden, dass man gerade nicht mehr Patient:innen behandeln kann. Und es ist auch ok, mal ein Theorieseminar nach hinten zu verschieben (wenn das an deinem Institut geht). Deine Gesundheit ist so wichtig für die Ausübung deines Jobs, kümmere dich besonders in dieser anstrengenden Ausbildungsphase gut um sie!
Tipp Nr. 5: Glaub an dich – du schaffst das!
Die wichtigste Zutat ist vielleicht diese: Verliere dein Selbstvertrauen nicht aus den Augen. Gerade wenn es mal schwierig wird, alles unter einen Hut zu bekommen, kann es passieren, dass wir an uns und unseren Entscheidungen zweifeln. Lass dich davon nicht unterkriegen! Konzentriere dich darauf, was dich an diesem faszinierenden Beruf so anzieht. Sammle und halte fest, was du alles schon geschafft hast. Es braucht vielleicht etwas Zeit, dich in deiner Klinikzeit zurechtzufinden, aber ich bin mir ganz sicher: Du kannst das schaffen!
Ganz viel Kraft für deinen Klinikstart!
Deine Mia