Alte Muster überwinden: Glaubensätze transformieren lernen

Es ist ein wesentlicher Bestandteil und zugleich eine der größten Herausforderungen jeder Kognitiven Verhaltenstherapie: Die tief verwurzelten Überzeugungen (Glaubenssätze) von Klient:innen über sich selbst und die Welt um sie herum zu identifizieren und zu bearbeiten. Die gute Nachricht ist, es wird leichter, vor allem, wenn man sich ein gutes Repertoire an Techniken aneignet, die Klient:innen dazu anregen, sich der eigenen Überzeugungen bewusst zu werden und sie – im besten Fall – so umzuformulieren, dass sie beflügeln und motivieren statt zu blockieren!

Was sind Glaubenssätze eigentlich?

Glaubenssätze sind tief verankerte Überzeugungen, die wir über uns selbst, andere Menschen und die Welt im Allgemeinen haben. Sie entstehen oft schon in der Kindheit und werden im Laufe des Lebens durch Erfahrungen, Kultur und andere Faktoren weiterentwickelt und verstärkt. Sind die Glaubenssätze positiv, so können sie uns und unsere Klient:innen stärken und Selbstvertrauen geben. Negative Glaubenssätze hingegen schränken ein und können das eigene Vorankommen in vielen Lebensbereichen behindern. Deshalb sind in Therapie und Beratung therapeutische Ansätze, die helfen, negative Glaubenssätze zu identifizieren und zu ersetzen, für viele Klient:innen ein wichtiger Entwicklungsimpuls.

11 therapeutische Schritte zur Transformation von Glaubenssätzen

Aus meiner praktischen Erfahrung heraus hat sich folgende Vorgehensweise in der Therapie bewährt:

(1) Einführungsphase: In den ersten Sitzungen ist es zentral, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, um die Bedürfnisse der Klient:innen besser zu verstehen. In dieser Phase gebe ich meinen Klient:innen bereits Informationen zum Prozess der Arbeit an Glaubenssätzen.

(2) Glaubenssatz-Erkundung: Hier werden gezielte Fragen gestellt, um herauszufinden, welche Glaubenssätze in verschiedenen Lebensbereichen bei den Klient:innen existieren. Die Klient:innen werden gebeten, möglichst offen ihre Überzeugungen mitzuteilen.

(3) Bewusstseinsbildung: In diesem Schritt helfen die Therapeut:innen ihren Klient:innen dabei, sich der Auswirkungen ihrer Glaubenssätze auf ihr Verhalten, ihre Emotionen und ihre Lebensqualität bewusst zu werden. Psychoedukativ wird aufgezeigt, wie Glaubenssätze die eigenen Denkprozesse beeinflussen.

(4) Glaubenssatz-Analyse: Hier geht es darum, die Klient:innen dabei zu unterstützen, die Herkunft und den Ursprung ihrer Glaubenssätze zu erforschen. Die Klient:innen werden gebeten, von prägenden biografischen Ereignissen, Kindheitserfahrungen oder gesellschaftlichen Einflüssen, die zu diesen Überzeugungen geführt haben könnten, zu berichten.

(5) Hinterfragen und Umstrukturierung: Gemeinsam werden die negativen Glaubenssätze hinterfragt und alternative Perspektiven entwickelt. Dabei kommen kognitive Umstrukturierungstechniken zum Einsatz, um negativen Gedanken konstruktive und realistischere Interpretationen entgegenzusetzen.

(6) Identifikation positiver Gegenbeispiele: Die Klient:innen werden ermutigt, Situationen zu finden, in denen ihre alten Glaubenssätze nicht zugetroffen haben. Dies soll ihnen helfen, positive Erfahrungen zu erkennen und die neuen Überzeugungen zu stärken.

(7) Affirmationen und Visualisierung: Gemeinsam werden positive Affirmationen formuliert, die die neuen, unterstützenden Glaubenssätze der Klient:innen widerspiegeln. Dabei können Visualisierungstechniken eingesetzt werden, um die Überzeugungen lebendig vor Augen zu führen.

(8) Situative Exposition: Gemeinsam wird mit schrittweiser Exposition an Situationen gearbeitet, die frühere Glaubenssätze aktivieren könnten. Die Therapeut:innen ermutigen ihre Klient:innen, die neuen Denk- und Verhaltensweisen in diesen Situationen zu praktizieren.

(9) Feedback und Anpassung: Es ist wichtig, regelmäßig den Fortschritt zu überprüfen. Die Klient:innen zu fragen, wie die neuen Glaubenssätze in ihrem Alltag wirken, und wenn nötig, die Strategien anzupassen, um optimale Ergebnisse zu erzielen, sind dabei zentral.

(10) Integration und Abschluss: Zum Ende gilt es zu reflektieren, wie weit die Klient:innen gekommen sind. Die Therapeut:innen sollten die Bedeutung der kontinuierlichen Anwendung der neuen Denkmuster betonen und Unterstützung für zukünftige Herausforderungen anbieten.

(11) Nachhaltigkeit und Ressourcen: Ich empfehle zum Abschluss Ressourcen, Bücher oder Übungen, die meinen Klient:innen helfen können, ihre neuen Glaubenssätze langfristig aufrechtzuerhalten und weiter an sich zu arbeiten.

Eintauchen in die Praxis: Wie arbeite ich an persönlichen Glaubenssätzen

In der konkreten Arbeit mit Klient:innen benutze ich persönlich meist folgende Methode. Ich arbeite mit einer Sammlung von häufigen negativen Glaubensätzen (z.B. »Ich kann es niemandem recht machen.«, »Ich schaffe das nicht.«, »Wenn ich es nicht mache, macht es keiner.«). Ich lese die einzelnen negativen Glaubenssätze laut vor und bitte den/die Klient:in, in sich hineinzuhorchen und bei einem »Match« ein Zeichen zu geben. Die Karte wird sodann zur Seite gelegt. Nach erfolgreicher Selektion der passenden Glaubenssätze geht es in die nächste Runde.

Dann lege ich die einzelnen »gematchten« negativen Glaubenssatzkarten auf dem Boden des Therapieraumes aus und lasse den/die Klient:in sich daraufstellen. Er/Sie soll in sich hineinspüren und Gedanken oder Erinnerungen sprachlich freien Lauf lassen. Oftmals führt dies zu Emotionen, die dann mittels einer Körperscan-Übung lokalisiert werden können. Entweder wird das Thema dann noch im Stehen oder auf Wunsch des/der Klient:in im Sitzen weiterbearbeitet.

Anschließend wird nach alternativen Umschreibungen gesucht, indem ich passende positive Glaubenssätze anbiete und meine:n Klient:in bitte, zu überprüfen, ob das Gegenstück passend erscheint. Es geht darum, einen negativen Glaubenssatz so umzuformulieren, dass er positiv oder zumindest einen neutralen Effekt erlangt. Pro Sitzung transformiere ich maximal zwei Glaubenssätze, um die Klient:innen nicht zu überfordern und der Transformation Zeit zu geben, sich zu verankern.

Als »Hausaufgabe« sollen sich die Klient:innen im Alltag beobachten und Situationen notieren, in denen eine Umwandlung negativer Glaubenssätze in positive Glaubensätze erfolgt ist. In der darauffolgenden Sitzung lege ich die beiden unterschiedlichen Glaubenssätze auf den Boden und bitte den/die Klient:in, sich mit einem Fuß auf den negativen und mit dem anderen Fuß auf den positiven Satz zu stellen. Nun soll er/sie erneut in sich hineinhorchen und überprüfen, auf welcher Karte er/sie mehr Gewicht legt bzw. mehr körperliche Empfindungen wahrnimmt.

Mein Fazit

Die Arbeit mit positiven und negativen Glaubenssätzen in der Psychotherapie ist ein kraftvoller Ansatz zur persönlichen Transformation. Indem Klient:innen lernen, ihre Überzeugungen zu erkennen und zu beeinflussen, können sie alte Muster überwinden, ihr Selbstbewusstsein stärken und sich zu einer positiven Veränderung befähigen. Therapeut:innen spielen hierbei eine wesentliche Rolle, indem sie ihre Expertise und einfühlsame Unterstützung bereitstellen, um den Weg zu einem gesünderen Denken und Leben zu ebnen.

Die Autorin

Monique Vercoulen wurde 1974 in Köln als Niederländerin geboren. Sie ist Dipl.-Sozialarbeiterin und Traumazentrierte Fachberaterin sowie Traumapädagogin. Sie arbeitet seit 25 Jahren in der ambulanten aufsuchenden Jugendhilfe. In ihrer Freizeit entwickelt sie leidenschaftlich gerne neue Methoden und Ideen für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern, um durch »Erleben« neue Interaktions- und Handlungsalternativen zu (er)spüren und so das Miteinander zu erleichtern. Bei Beltz hat sie 2023 das Kartenset »Positive und negative Glaubenssätze. 80 Grundüberzeugungen für den Einsatz in Therapie und Beratung« veröffentlicht.

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