Kennen Sie das, in Ihrem Alltag als Psychotherapeut:in, sei es in Sitzungen oder im Privatleben, immer wieder mal emotional stark aufgewühlt zu sein? Die Geschichten unserer Patient:innen, private Herausforderungen oder belastende gesellschaftliche Themen aktivieren nachvollziehbarerweise auch bei uns den „Fight-Flight-Freeze“-Modus.
Hier finden Sie eine Übung, die Ihnen bei der Regulation Ihrer Gefühle helfen wird. Beinahe alle meiner Patient:innen und auch ich selbst profitieren sehr davon. Diverse Variationen dieser Übung sind in vielen Psychotherapieschulen zu finden, wobei die Ursprünge der Geste, die Hand aufs eigene Herz zu legen, in sicherlich allen Kulturen sehr lange bekannt ist. Es kann eine Geste der Begrüßung, des Friedens oder der Rührung sein. Ich fand Sie sowohl in Meditationen aus dem „Mindful Self Compassion“ (MSC)-Programm nach Kristin Neff und Christopher K. Germer, das wiederum unter anderem aus der sehr alten buddhistischen Tradition der „Metta-Meditation“ gespeist wird. „Metta“ ist dabei ein Wort auf Pali, welches für „liebende Güte“ und „Freundlichkeit“ stehen kann.
Auch in weiteren Übungen, die auf der (sehr spannenden) Polyvagaltheorie beruhen, gibt es ähnliche Gesten. Und aus dem Yoga kennen viele die Mudra (Handgeste), die Hände vor dem Herzzentrum zu falten, um mit dem Namasté seinen höchsten Respekt auszudrücken.
Die „Hand aufs Herz“-Übung
Die nun folgende Übung kann Ihnen helfen, mehr Selbstmitgefühl zu entwickeln und Gefühle effektiv zu beruhigen. Damit haben Sie im Alltag ein sehr konkretes und wertvolles Werkzeug im eigenen „Werkzeugkasten“, von dem auch Ihre Patient:innen profitieren werden.
- Nehme wahr, wenn du in einer emotional aufwühlenden Situation bist.
- Akzeptiere, dass es gerade so ist, wie es ist. Wenn das schwerfällt, ist das auch in Ordnung!
- Lege eine Hand auf deine Herzregion. Spüre die Berührung, den Druck, eventuell die Wärme deiner Hand. Du kannst auch leicht über die Herzregion streichen.
- [Optional] Sage dir etwas Mitfühlendes wie: „Es ist OK“ oder „Ich bin mehr als das Gefühl“, wiederhole es. Du kannst aber auch nur im Spüren verweilen.
- Atme dabei tief in den Bauch: Ein und Aus, Ein und Aus … und versuche, lange auszuatmen.
- Fokussiere dich auf die Berührung, den Druck, die Wärme deiner Hand. Bleibe für mindestens 2-3 Minuten dabei!
- Beobachte die kleinen Veränderungen – zum Beispiel in deiner Atmung, deiner Muskel(ent)spannung oder deinem emotionalen Befinden. Deine Gefühle könntest du anfangs sogar etwas stärker wahrnehmen. Spüre mit der Zeit, wie alles sich etwas beruhigt. Vielleicht musst du gähnen oder wirst müde, das sind gute Zeichen.
- Fahre dann bald aktiv mit deinem Tag fort.
PS: Wenn die Übung zu knifflig sein sollte, dann hör ruhig vorher damit auf.
Dipl.-Psych. Boris Pigorsch
Dipl.-Psych. Boris Pigorsch ist Psychologischer Psychotherapeut für Verhaltenstherapie. Er führt das Zertifikat »Klinische Hypnose« der Milton-Erickson-Gesellschaft (M.E.G.) und ist in eigener verhaltenstherapeutischer Praxis mit Kassenzulassung im Duisburger Süden niedergelassen. Er arbeitet zudem als Dozent, Coach und Supervisor. Website: innerer-kritiker.de