Die innere Cheerleaderin – Selbstbewusstsein in Psychotherapie und Beratung stärken!

»Es geht nicht darum, wie hoch du springen kannst, sondern wie hoch du glaubst, dass du springen kannst.« Julia Engelmann (2014, S. 10)

Herzlich willkommen, wie schön, dass Sie hier sind. Ich möchte Ihnen heute Impulse zum Thema Selbstbewusstsein geben. Ein Thema, das mir wirklich sehr am Herzen liegt.
In meiner Arbeit mit Einzelpersonen, Gruppen und Teams – in den unterschiedlichsten Kontexten – fällt mir immer wieder eines auf: Jeder kennt ihn, den inneren Kritiker oder auch den inneren Richter. Wir haben starke, prägende innere Bilder für die strengen und kritischen Stimmen in uns, doch das Gegenstück dazu, das fehlt fast immer – nicht nur bei den Menschen, mit denen ich arbeite, sondern auch bei mir selbst. Dabei sind genau diese positiven inneren Stimmen von entscheidender Bedeutung. Ermutigende, wohlwollende und unterstützende innere Stimmen sind die Grundlage für ein gesundes und gutes Selbstbewusstsein. Es ist höchste Zeit, diesen Stimmen Raum zu geben und ihnen bewusst Gehör zu schenken.

Als Einstieg in das Thema möchte ich Sie herzlich dazu einladen, sich zunächst einmal mit den folgenden drei Fragen zu beschäftigen. Vielleicht nehmen Sie sich einfach ein paar Minuten Zeit, ein Blatt Papier und einen Stift und beantworten diese Fragen für sich, bevor Sie weiterlesen:

  • Was ist eigentlich Selbstbewusstsein?
  • Wie ist es mit Ihnen und Ihrem Selbstbewusstsein – halten Sie sich selbst für selbstbewusst?
  • Inwiefern ist das Thema Selbstbewusstsein wichtig für Ihre therapeutische Arbeit mit den Menschen?

Was ist eigentlich Selbstbewusstsein?

Unsere Persönlichkeit wird maßgeblich durch unser Erleben und unsere Erfahrungen geprägt und beeinflusst dadurch unser gesamtes Denken, Fühlen und Handeln. So entsteht das Fundament für unser persönliches Selbstbild, das einen großen Einfluss darauf hat, wie wir mit Herausforderungen umgehen können und welche Fähigkeiten wir entwickeln – wir bestimmen also maßgeblich unser Selbstbewusstsein.

Der Gedanke »Erkenne dich selbst« von Sokrates (469-399 v. Chr.)  beschreibt perfekt, worum es beim Konzept des Selbstbewusstseins geht: Dass wir uns selbst kennen und erkennen und dadurch unser Bewusstsein über uns selbst zutage fördern. Sich seiner selbst bewusst zu sein eben. Selbstbewusstsein ist das Ergebnis vieler kleiner Schritte – und nicht jeder Schritt sitzt von Anfang an, und das muss er auch nicht. Es geht vielmehr darum, konsequent kleine Schritte in Richtung Selbstbewusstsein zu unternehmen. Mit jedem Fortschritt wächst unsere Fähigkeit, unsere Stärken und Talente zu erkennen und sie selbstbewusst zu nutzen.

Menschen mit einem gesunden Selbstbewusstsein haben die Fähigkeit und die Bereitschaft, die eigenen Fähigkeiten und Stärken zu erkennen. Ein gesundes Selbstbewusstsein führt deshalb zu psychologischem Wohlbefinden und verhilft uns dazu, erfolgreich unser Leben zu gestalten.

Die 4 Säulen von Selbstbewusstsein

Um den Herausforderungen des Lebens standzuhalten und für unser Wohlbefinden benötigen wir ein gesundes Selbstbewusstsein, das meines Erachtens nach auf vier Säulen fußt. Werfen wir einen Blick auf die Säulen sowie die jeweils charakteristischen Gedanken, die zu einem starken Selbstbewusstsein führen.

Säule 1: Selbstwirksamkeit

»Ich habe mein Leben im Griff, denn ich kann das und ich werde meine Ziele erreichen!«

Selbstbewusste Menschen glauben daran, dass sie ihr Leben aktiv gestalten können. Wenn wir davon überzeugt sind, dass wir einen Einfluss auf unser Leben haben, dann ist das eine wichtige Essenz von Selbstbewusstsein. Es geht dabei nicht nur darum, die Fähigkeiten zu haben, Ziele zu erreichen, sondern auch um das Gefühl, alles erreichen zu können, was uns persönlich erstrebenswert erscheint. Selbstbewusste Menschen erleben sich als selbstwirksam und können so Einfluss auf ihr Leben nehmen.

Säule 2: Selbstverantwortung

»Ich habe immer eine Wahl und übernehme die volle Verantwortung für mich!«

Wenn wir bereit und auch fähig sind, die Verantwortung für unser Denken, Fühlen und Handeln zu übernehmen, dann erleben wir uns als autonom und treffen unsere eigenen Entscheidungen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für Selbstbewusstsein.

Säule 3: Selbstakzeptanz

»Ich habe ein inneres Ja zu mir selbst!«

Sich selbst mit allen Stärken und Schwächen anzunehmen, ist ein Schlüssel zu innerem Frieden. Dieses innere »Ja« zu sich selbst und auch dazu, wer und wie in jedem Augenblick sind, schafft die Basis für echtes Selbstbewusstsein.

Säule 4: Selbstliebe

»Ich bin genug! Ich bin liebenswert!«

Selbstliebe fällt vielen schwer, doch sie ist essenziell für ein starkes Selbstbewusstsein. Sie beginnt mit Selbstakzeptanz, die die Tür zur Selbstliebe öffnen kann.
Ich frage mich, ob es mit Scham verbunden ist, zu sagen, dass wir uns selbst lieben? Ich weiß es nicht, aber ich habe den Eindruck. Und doch ist es für ein gutes Selbstwertgefühl unerlässlich, sich selbst zu lieben!

Denken – Fühlen – Handeln

Woher kommen diese Gedanken, die zu einem gesunden Selbstbewusstsein beitragen?
Damit wir ein gutes Selbstbewusstsein entwickeln, ist es unerlässlich, dass wir unsere Gedanken wahrnehmen, sie uns bewusst machen und kennenlernen und dann auch steuern lernen. Denn unsere Gedanken sind der Ausgangspunkt für unsere Gefühle, die dadurch unsere Motivation und somit unser Handeln beeinflussen.


Ein Gedanke kommt selten allein. Wenn wir einen Gedanken denken, dann zieht dieser immer auch andere Gedanken nach sich. Unsere Gefühle gleichen oft einem Gefühlscocktail, der durch die Ansammlung unserer Gedanken entsteht. Auch hier gilt, dass wir dann nicht nur ein Gefühl empfinden, sondern das »erste« Gefühl zieht noch weitere nach sich. Dieser »Gefühlscocktail« hat zu 100 % einen Einfluss auf unsere Motivation und unser Verhalten. Wenn wir uns nicht gut fühlen, dann machen wir bestimmt Dinge nicht. Und auch umgekehrt: Wenn wir uns gut fühlen, ist uns vieles möglich …

Wie ist mein Ursprungsgedanke? Welchen Glaubenssatz habe ich?

Was denke ich, wenn ich mir meinen Glaubenssatz anschaue? Und was noch? Und was noch? Und was noch?
Welches Gefühl resultiert daraus? Und welches noch? Und welches noch? Und welches noch?
Was mache ich dann? Oder aber: Was mache ich deshalb nicht? Und was noch? Und was noch? Und was noch?

Wie können wir Selbstbewusstsein trainieren?

Schritt 1: Wörter, ihre Bedeutung und Gefühle.

Als erstes geht es darum zu verstehen, welche Bedeutung den Wörtern zukommt, aus denen unsere Gedanken bestehen. Die Bedeutung ist abhängig vom eigenen, sozialen und zeitlichen Kontext.

Mit meinen Klienten mache ich gern die folgende Übung:

  • Ich bitte sie, mir 3 Gedanken zu nennen, die ihnen beim Wort »Baum« in den Sinn kommen.
  • Danach bitte ich sie sich vorzustellen, dass heute der 23.12. ist, überall Schnee auf den Dächern liegt sowie der Duft von frischgebackenen Plätzchen. Abermals frage ich sie, welche Gedanken ihnen beim Wort »Baum« in den Sinn kommen.


Und was soll ich ihnen sagen? Natürlich kommt dann auch immer eine Antwort wie: »Ich denke an unseren Weihnachtsbaum, eine Tanne, Geschenke, die unter dem Baum liegen«. Der zeitliche Kontext spielt also eine wesentliche Rolle. Und je nachdem, welche Erfahrung meine Klient:innen damit gemacht haben, verändert sich auch die Stimmlage.

Dann setze ich die Übung wie folgt fort:

  • Ich frage: Woran denken Sie, wenn Sie das Wort »Veränderung« hören?
  • Je nachdem, welche Erfahrungen meine Klient:innen mit Veränderungen gemacht haben – waren sie selbst induziert oder von außen –, fallen die Antworten aus. Meistens sind Antworten wie »Chance, Risiko, gut, muss sein, ...« dabei.
  • Wir sehen, es gibt bei dem Gedanken an ein Wort auch immer den eigenen Kontext. Und obwohl ich nur ein Wort genannt habe, lese ich in den Gesichtern meiner Klienten Gefühle.
  • Ich frage dann explizit danach: »Was fühlen Sie, wenn Sie an Veränderung denken?« Ich bekomme immer eine Antwort. Das heißt, dass wir mit Wörtern und den dazugehörigen Gedanken auch immer Gefühle verbinden.


Abschließend:

  • Ich nenne das Wort »Verbesserung« und frage, was sie nun denken.
  • In 99% der Fälle höre ich, dass etwas vorher nicht gut war, besser werden muss, sie selbst nicht gut genug sind und jemand eine Erwartung an sie hat.
  • Hier kommt der soziale Kontext mit ins Spiel.
  • Auf meine Frage, welche Gefühle sie hervorrufen, kommen die unterschiedlichsten Antworten zutage.


Was ich damit zeigen möchte: Wörter rufen nicht nur bestimmte Assoziationen in uns hervor, sondern auch Gefühle. Ich liebe in diesem Zusammenhang das Zitat von Samuel Johnson: »Sprache ist die Kleidung der Gedanken«. 

Schritt 2: Unsere innere Cheerleaderin

Hier kommt unsere innere Cheerleaderin ins Spiel. Weil unsere Gedanken sich aus einzelnen Wörtern zusammensetzen, die in uns ja andere Gedanken und davon abhängig auch Emotionen hervorrufen, verstehen meine Klient:innen, WIE WICHTIG es ist, auf die Sprache bei unseren Gedanken zu achten. Wir brauchen gute Gedanken, die ermutigende Gefühle auslösen! Erst wenn das erarbeitet und nachvollzogen werden kann, setze ich die nachfolgende Übung ein, die eine meiner absoluten Lieblingsübungen ist. 


Ich nehme mir wirklich Zeit dafür und beginne immer mit einem negativen Glaubenssatz und »konjugiere« die 3 Stufen durch. Im Anschluss daran entwickeln wir einen neuern funktionalen Glaubenssatz in vorsichtigen Nuancen. Also nicht »Ich bin so selbstbewusst, wie ich es mir wünsche«, sondern eher so etwas wie »Ich könnte mir vorstellen, dass ich manchmal selbstbewusst bin.« Wenn ich die Übung dann durchgeführt habe, etabliere ich das Bild der inneren Cheerleaderin, indem ich im Stile einer Cheerleaderin kurz »singe« und die Bewegungen dazu mache. Ich kann nicht besonders gut singen, mache das aber dann voller Überzeugung und Freude, sodass sich das Bild verankern kann. Natürlich ermutige ich meine Klient:innen, diesen positiven Glaubenssatz zu üben – ob mit Singen und Tanzen, oder ohne.

Denn, um es mit Julia Engelmann zu sagen: Es geht darum, dass wir daran glauben, dass wir selbstbewusst sein können...

Panta rhei!

Diesen Gedanken von Heraklit nenne ich gern zum Abschluss: Alles fließt. Alles ist im Fluss. Alles verändert sich. Mir gefällt daran, dass Heraklit auch sagte, dass keiner zweimal in denselben Fluss steigt. Denn der Fluss hat sich in der Zwischenzeit verändert und wir uns eben auch. Das ist hilfreich für meine Klient:innen, weil sie sich zumeist davon motiviert fühlen, dass Veränderung immer geschieht und langsam neue Gedanken zu den schon etablierten dazu fließen können. Was denken Sie? Ich freue mich über Ihr Feedback unter beaengelmann@web.de

Ganz selbstbewusste Grüße
Ihre Bea Engelmann

Die Autorin

Bea Engelmann, Dipl.-Psych., ist eine Glücksverbreiterin. Sie liebt die Arbeit mit Menschen, das Leben, ihre Familie und das Glück. Die Expertin für Positive Psychologie hat über Glück geforscht und glaubt daran, dass jeder von uns der Schlüssel zu seinem Erfolg und Glück ist. Als Psychologin und Coach steht sie Erwachsenen und Jugendlichen, Teams und Organisationen beratend zur Seite.

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