Kinder und Jugendliche stark machen – positive Schemata und adaptive Modi

Durch gezielte Ressourcenaktivierung können wir in der Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen positive Schemata aufbauen und adaptive Modi stärken. Dazu können zahlreiche ressourcenorientierte, kognitive und emotionsaktivierende Techniken eingesetzt werden. Lernen Sie, wie mit Hilfe der therapeutischen Beziehung und solcher Interventionen ein Raum für Kinder und Jugendliche geschaffen werden kann, in dem sich positive Schemata entwickeln und adaptive Modi wachsen können.

  • Positive Schemata: Schemata nach Young entstehen durch Beziehungserfahrungen und sind immer auf emotionale Bedürfnisse bezogen. Positive Schemata entstehen dabei durch gute (oder korrigierende) Beziehungserfahrungen. Kinder und Jugendliche erleben, wie Menschen ihre Bedürfnisse ausreichend gut erfüllen. So entwickeln sie positive innere Modelle für den Umgang mit sich selbst und anderen. Solche Erfahrungen können auch im Laufe der Entwicklung gemacht werden, z.B. in der therapeutischen Beziehung.
  • Adaptive Modi: Modi sind Zustände des Erlebens und Verhaltens, die eine Schemaaktivierung anzeigen. Adaptive Modi werden erlebbar, wenn positive Schemata aktiviert sind. Die wichtigsten adaptiven Modi sind der kompetente Modus, der glückliche Kindmodus und der Helfermodus. Indem wir die Ressourcen und Fertigkeiten der Kinder und Jugendlichen stärken und ihre Eltern ebenso dazu anleiten, stärken wir gezielt adaptive Modi.   


In der Schematherapie für Kinder und Jugendliche haben wir viele Möglichkeiten, adaptive Modi und positive Schemata aufzubauen und so die Resilienz unserer Patient:innen zu stärken. Der Fokus auf positive Schemata und adaptive Modi passt sehr gut zu unseren jungen Patient:innen, da ihre maladaptiven Schemadispositionen und negativen Modi noch nicht so deutlich entwickelt und verfestigt sind wie bei erwachsenen Patient:innen.

Wie können wir positive Schemata durch die Therapie aufbauen?

Positive Beziehungserfahrungen ermöglichen. Wir können in der therapeutischen Beziehung emotionale Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen erfüllen. Wir können die Bezugspersonen dazu anleiten, wie sie die emotionalen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen erkennen und ausreichend gut erfüllen können. Zum Beispiel kann das Schema Selbstvertrauen aufgebaut werden, indem die Eltern anleiten und unterstützen, aber auch Raum für Autonomie lassen und selbständiges Verhalten fördern.  

Erfahrungen sammeln, die das Schema bestätigen. Wir können den Fokus auf Erfahrungen lenken, die das positive Schema bekräftigen. Dazu können Kinder (gemeinsam mit einer Bezugsperson) und Jugendliche in einem Tagebuch oder einem Fotoalbum positive Erfahrungen sammeln, die dem positiven Schema entsprechen. Zum Beispiel, wenn sie erleben, dass es Menschen gibt, die verlässlich und unterstützend sind. Oder wenn sie erleben, dass ihre eigenen Leistungen gut genug sind.

Positive Überzeugungen entwickeln. Wir können ein positives Schema v.a. jugendlichen Patient:innen als positives inneres Programm erklären. Dann können wir beschreiben, was Menschen mit dem Schema denken und was sich Menschen mit dem Schema selbst sagen. Im nächsten Schritt können wir festhalten, wie sich die aktuellen Überzeugungen der Patient:innen davon unterscheiden. Mit den Leitfragen »Was würdest du lieber über dich bzw. andere denken? Was würdest du dir selbst lieber sagen?« können wir Jugendliche anleiten, hilfreiche alternative Bewertungen zu entwickeln. Die neuen Bewertungen können dann im Alltag erprobt werden. Das ermöglicht alternative Erfahrungen, die das positive Schema stärken.  

Hilfreiche Fertigkeiten aufbauen. Wir können mit den Kindern und Jugendlichen konkrete Fertigkeiten einüben, die es ihnen ermöglichen, mehr positive Beziehungserfahrungen zu machen. Zum Beispiel können Kinder und Jugendliche lernen, wie sie ihre Gefühle und Bedürfnisse erkennen und ausdrücken können und so mehr Unterstützung bekommen. Oder sie können lernen, sich gegenüber Gleichaltrigen zu behaupten und dadurch weniger Hilflosigkeit zu erleben.

Wie können wir adaptive Modi in der Therapie stärken?

Der glückliche Kindmodus wird immer dann gestärkt, wenn Kinder und Jugendliche eine ausreichende Erfüllung ihrer emotionalen Bedürfnisse erfahren. Dies geschieht durch »good-enough«-Parenting. Wir leiten die Bezugspersonen an, wie sie – im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten – feinfühlig auf die emotionalen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingehen können.

Um den glücklichen Kindmodus im Alltag zu stärken, sollten die Kinder und Jugendlichen auch regelmäßig positive Situationen erleben, die einen Flow-Zustand möglich machen. Durch Spielen, Sport, kreatives Gestalten oder auch durch Meditation kann dieser Zustand erlebt werden. Dabei sind die Kinder und Jugendlichen im Hier und Jetzt, gehen in der Aktivität auf. Bei der Planung positiver Aktivitäten achten Therapeut:innen darauf, dass dabei ein Zustand der Selbstvergessenheit entstehen kann. Diesen Zustand können wir uns als den »dritten Weg« zwischen Selbstberuhigung und Selbststimulation vorstellen.

Der kompetente Modus (auch Clever-Modus) ist die innere Regulationsinstanz. Um den kompetenten Modus zu stärken, unterstützen wir die Selbstregulation. Kinder und Jugendliche können lernen, Emotionen zu erkennen und altersgemäß auszudrücken, was sie fühlen und brauchen. Dadurch haben sie bessere Chancen, von ihren Bezugspersonen emotionale und praktische Unterstützung zu erhalten. Wenn Kinder und Jugendliche trainieren, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu beobachten und auszudrücken, wächst ihr kompetenter Modus. Ältere Kinder und Jugendliche können zusätzlich lernen, sich selbst wieder zu beruhigen und fair und freundlich mit sich umzugehen. Dazu können auch die positiven Überzeugungen genutzt werden, mit denen wir adaptive Schemata aufbauen. Die Kinder und Jugendlichen können positive Selbstinstruktionen üben und lernen so, mit sich selbst umzugehen wie mit guten Freund:innen.

Je kompetenter und flexibler Kinder und Jugendliche mit sozialen Situationen umgehen können, desto selbstwirksamer können sie sich selbst erleben. Dazu müssen sie wissen, welche Ziele in unterschiedlichen sozialen Situationen verfolgt werden, z.B. Kontakt knüpfen oder sich selbst behaupten. Außerdem sollten die Kinder und Jugendlichen üben, zwischen fairem und unfairem Verhalten sicher zu unterscheiden, sowohl bei anderen als auch bei sich selbst. Wichtig ist auch, dass Kinder und Jugendliche erkennen können, wer vertrauenswürdig ist, bevor sie mit Verhaltensexperimenten beginnen. Wenn möglich, sollten die Bezugspersonen in die Psychoedukation und den Aufbau sozialer Fertigkeiten einbezogen werden.

Wenn inadäquates Verhalten durch Modusaktivierung gezeigt wird, dann ist ein modusgeleitetes Fertigkeitentraining geeignet. Dabei wird nicht nur ein kompetenteres Verhalten eingeübt, sondern die Therapeut:innen berücksichtigen auch die übrigen Modi – die durch Puppen oder Stühle repräsentiert werden – und gehen auf diese ein. So können kindliche Modi versorgt und gleichzeitig kritische Modi sowie Copingmodi begrenzt werden. In einem  zweiten Schritt wird dann kompetenteres Verhalten im kompetenten Modus geübt. So können Kinder und Jugendliche lernen, trotz initialer Schemaaktivierung angemessen Kontakt aufzubauen, Freundschaften zu pflegen, aber auch sich abzugrenzen und zu behaupten.

Der kompetente Modus wird zudem gestärkt, wenn Kinder und Jugendliche über altersgemessene Problemlösestrategien verfügen. Wenn ein Problemlösetraining eingesetzt wird, ist es wichtig, auf den kognitiven und emotionalen Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen zu achten. Zudem sollte der Einfluss anderer Modi, z.B. Vermeidermodus oder Kritischer Modus, berücksichtigt werden. Über Verhaltensexperimente können Jugendliche außerdem Handlungsalternativen im Alltag erproben und sich schrittweise als selbstwirksam erleben.  

Der Helfermodus ist ein adaptiver Modus, der einem positiven Eltern- oder Peermodus entspricht. Der Helfermodus ist entweder durch positive Beziehungserfahrungen entstanden und kann in der Therapie aktiviert werden. Oder er kann durch Imagination und Erfahrungen während der Therapie aufgebaut werden. Der Helfermodus wirkt wie eine positive, hilfreiche innere Stimme. Wenn ältere Kinder und vor allem Jugendliche lernen, sich selbst freundlich zu beobachten und mit den eigenen Kindmodi mitzufühlen, wird der innere Helfermodus gestärkt. Achtsamkeitsbasierte Techniken sind dabei sehr hilfreich. Damit können die Kinder und Jugendlichen ein ruhiges Beobachten der eigenen Emotionen und eine akzeptierende Haltung üben. Auch die Beziehungen zu hilfreichen Bezugspersonen werden aktiviert, so dass die Kinder und Jugendlichen auch von äußeren Helfer:innen unterstützt werden können. 

Patient:innen, die sehr belastende Erfahrungen machen mussten, können den Helfermodus auch nutzen, wenn sie sich in der Therapie mit den Erfahrungen auseinandersetzen und diese in ihre Lebensgeschichte integrieren. Für manche Patient:innen mit einem abwertenden Modus kann es jedoch herausfordernd sein, einen Helfermodus aufzubauen. Sie benötigen dann feinfühlige Unterstützung, um die Vorstellung einer hilfreichen, zugewandten Person Schritt für Schritt zuzulassen. Wenn die Patient:innen im inneren Helfermodus Selbstmitgefühl aufbauen können, gelingt es ihnen immer besser, ihre Emotionen zu regulieren und ihre emotionalen Bedürfnisse ernst zu nehmen.

Fazit

Durch den Fokus auf positive Schemata und adaptive Modi können wir mit Kindern und Jugendlichen Fertigkeiten aufbauen, die ihnen positive Beziehungserfahrungen und hilfreiche Selbstbewertungen ermöglichen. Zudem können wir dazu beitragen, dass Bezugspersonen die emotionalen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen möglichst gut erkennen und erfüllen. Nicht zuletzt achten wir darauf, dass unsere Patient:innen in der therapeutischen Beziehung korrigierende Erfahrungen machen, die zum Aufbau positiver Schemata und adaptiver Modi beitragen. Ressourcenstärkende Interventionen können eine gute Basis schaffen, um in den nächsten Schritten kritische Modi zu begrenzen und belastende Erfahrungen zu bearbeiten. Die Interventionen zur Stärkung adaptiver Schemata und positiver Modi lassen Therapeut:innen und Patient:innen kreativ werden und machen Ressourcen in der Therapie erfahrbar. Viel Spaß damit!

Exklusiver Live-Workshop

Erleben Sie Dr. Eva Dresbach am 25.10.2023 in einem exklusiven Online-Workshop zum Thema »Ressourcen, Stärken und positive Schemata in der Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen« im Rahmen unserer akkreditierten Webinar-Reihe!

Die Autorin

 

Dr. rer. medic. Eva Dresbach, Diplom-Psychologin, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (VT), Approbation 2007. 2010 Promotion an der Universität zu Köln. 2008–2011 Leitung Psychosozialer Dienst der Kinderonkologischen Abteilung des Zentrums für Kinderheilkunde, Universitätsklinikum Bonn. Weiterbildung in Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen. Seit 2011 niedergelassen in eigener Praxis in Bonn. Dozentin und Supervisorin bei verschiedenen Ausbildungsinstituten. 2015 ISST-Anerkennung als Advanced Level Schematherapist and Supervisor-Trainer in Child-Adolescent Schema-Therapy. Bei Beltz hat sie u.a. das Kartenset »Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen. 75 Therapiekarten« veröffentlicht.

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