Mut zur Gruppe! 9 Tipps, wie Gruppentherapie zur Bereicherung wird

Gruppentherapie bereichert den therapeutischen Alltag und bietet vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten. Der Nutzen ist dreifach: Die Patient:innen merken, dass sie nicht alleine sind, unterstützen sich gegenseitig und lernen voneinander. Wir als Therapeut:innen erleben die Patient:innen alltagsnäher, facettenreicher, profitieren von Ideen aus der Gruppe und erleben Erfrischung im Therapiealltag. Und sogar wirtschaftlich sind Gruppen für alle ein Gewinn. Wir verdienen durch Gruppen mehr, während die Kostenträger pro Patient:in weniger zahlen.

Dennoch zögern viele, Gruppen in ihrer Praxis anzubieten, weil sie auch dreifache Herausforderungen mit sich bringen:

  • Die Organisation ist aufwändiger.
  • Die Auswahl der Patient:innen und die Zusammenstellung der Gruppen erscheint komplex.
  • Und die inhaltliche Gestaltung erfordert neue Herangehensweisen.


Hier einige Hinweise, wie Sie diese Herausforderungen meistern können.

Tipps für die Organisation

Organisatorisch ist es oft nicht einfach, »alle unter einen Hut« zu bringen, eine Zeit zu finden, zu der alle können, und auch die Anträge zu Gruppenbeginn alle anerkannt zu haben. Folgendes erleichtert die Organisation:

1. Legen Sie Tag und Uhrzeit klar fest. Alle Gruppenteilnehmer:innen haben unterschiedliche Bedürfnisse. Das kann uns bei der Organisation in den Wahnsinn treiben. Klare Kommunikation erspart viele Diskussionen und fast alle Patient:innen machen den klar kommunizierten Termin möglich.

2. Kündigen Sie den Starttermin 6-8 Wochen vorher an. Alle können sich darauf einstellen. Sie haben genug Zeit Vorgespräche zu führen und zu planen. Diejenigen, die über GKV abrechnen, machen in der Zeit Sprechstunde und probatorische Sitzungen, um dann eine Kombinationsbehandlung zu beantragen.

3. Legen Sie einen E-Mailverteiler o.Ä. an. Sie werden immer mal wieder alle Gruppenmitglieder informieren wollen. Es spart Zeit, wenn Sie gleich einen Verteiler haben, mit dem Sie alle erreichen. Einige Praxisprogramme bieten Mail- oder SMS-Tools an.

Tipps für die Zusammenstellung der Gruppen

Eine gute Auswahl der Teilnehmer:innen für eine Therapiegruppe ist entscheidend für den Erfolg des Therapieprozesses. Ziel ist es immer, eine unterstützende, wohlwollende und förderliche Umgebung schaffen, in der sich alle sicher fühlen, um sich zu öffnen und zu wachsen. Ich habe gute Erfahrung mit den folgenden Strategien gemacht:

4. Führen Sie Vorgespräche. Sie sollten alle Gruppenteilnehmer:innen vorher kennen, damit bereits eine vertrauensvolle Beziehung wachsen kann und sowohl die Patient:innen als auch Sie entscheiden können, ob Gruppentherapie passt. Während dieser Gespräche sollten Sie gemeinsam potenzielle Ziele für die Gruppe erarbeiten und die Ressourcen der Patient:innen erkunden, einschließlich dessen, was sie selbst in die Gruppe einbringen könnten. Hilfreich ist auch, vorherige Gruppenerfahrungen zu erfragen, um ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse und Erwartungen der Teilnehmer:innen zu gewinnen. Schlussendlich macht es Sinn schon hier über die Abläufe, Zeiten, Inhalte und die Schweigepflicht informieren, um sicherzustellen, dass sich die Patient:innen auf den Gruppenprozess einlassen können.

Wichtige Voraussetzungen für die Teilnahme an einer Gruppentherapie sind: 
Freiwilligkeit. Damit alle Teilnehmer:innen motiviert und gerne in die Gruppe kommen, ist Freiwilligkeit oberstes Gebot. Obwohl es eigentlich selbstverständlich ist, werden besonders Kinder oft noch gegen ihren Willen „geschickt“. Weisen Sie in der Planungsphase gerade auch die Kinder darauf hin, dass nicht die Erwachsenen, sondern sie selbst entscheiden, ob sie der Gruppe beitreten möchten. Insbesondere in Gruppen können Mitglieder, die nicht freiwillig da sind, die Gesamtstimmung sehr negativ beeinflussen.
Gruppenfähigkeit. Wichtig für die Teilnahme an Gruppen ist es, dass keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. Und Sie sollten im Vorfeld immer vorhandene Gruppenerfahrungen abfragen. Insbesondere wenn Kinder oder Jugendliche nicht beschulbar sind oder stark antisoziales Verhalten zeigen, ist die Teilnahme an der Gruppe meist eine Überforderung für alle.

5. Haben Sie Mut zur Unterschiedlichkeit! Oft beschäftigt uns die Frage, wen wir in die Gruppe nehmen und welche Patient:innen zusammenpassen. Prinzipiell ist hierbei die Entscheidung zu treffen, ob die Gruppe in Bezug auf Diagnosen, Themen, Alter oder Geschlecht homogen oder heterogen sein soll. Alle Formen haben ihre Vor- und Nachteile. In jeder Gruppe besteht die Chance herauszuarbeiten, dass jeder Mensch anders und einzigartig ist und gleichzeitig bei aller Unterschiedlichkeit auch viele Gemeinsamkeiten mit anderen hat. Es ist für alle eine ganz besondere und beglückende Erfahrung, die eigenen Besonderheiten zeigen und leben zu dürfen, und gleichzeitig tiefe Verbundenheit zu spüren. So können ein strebsames anorektisches Mädchen und ein Schule schwänzender cooler Typ merken, dass sie eigentlich beide Angst vor dem Versagen haben. Sie gehen mit der gleichen Angst nur unterschiedlich um und können in der Gruppe wunderbar voneinander lernen, während sie im Schulalltag wohl kaum miteinander in Kontakt kämen.

Tipps für die inhaltliche Gestaltung

Inhaltlich stehen uns im Gruppensetting noch viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung als im Einzelsetting. Es gibt kein richtig oder falsch; keine besseren oder schlechteren Methoden. Wichtig ist, dass wir gute und vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Patient:innen und unter den Patient:innen fördern. Und wichtig ist, dass wir (natürlich fachlich korrekte) Methoden anwenden, die zu uns passen und die wir »Ich-synton« mit Überzeugung und Freude anwenden.

Aus meiner Sicht gibt es folgende Schlüsselelemente für die inhaltliche Gestaltung:

6. Nehmen Sie eine positive, ressourcenorientierte Haltung ein! Dadurch erreichen Sie nicht nur die Stärkung Ihrer Patient:innen, sondern sind auch Modell für ein positives und unterstützendes Miteinander. Werden Kinder und Jugendliche gefragt, woran sie eine positive Haltung von Erwachsenen erkennen, nennen sie fast alle einen freundlichen, offenen Gesichtsausdruck. Benennen Sie sehr schnell, möglichst schon zu Beginn der ersten Sitzung, positive Eigenschaften der Gruppe (»Ich sehe schon… wir eine sehr zuverlässige Gruppe… alle pünktlich«). Zeigen Sie auch für herausfordernde Aussagen oder Verhaltensweisen Interesse und Wertschätzung (»Interessant… da können wir gleich etwas draus lernen…«). Um eine positive Gruppendynamik zu fördern, können Sie kleine Übungen einsetzen, die eine positive Haltung stärken. Eine gute Möglichkeit ist die Durchführung einer positiven Anfangs- und Abschlussrunde während der Gruppensitzungen. In der positiven Anfangsrunde kann z.B. jede:r der Nachbarperson etwas sagen, was ihm/ihr positiv an der Person auffällt. Und in der Abschlussrunde kann jede:r der Nachbarperson einen aufbauenden Wunsch für die Woche mitteilen.

7. Schaffen Sie einen strukturierten Rahmen und klare Regeln (Vertraulichkeit)! Unabhängig von der inhaltlichen und methodischen Ausgestaltung der Sitzungen ist es hilfreich, einen strukturierten und orientierenden Rahmen zu geben, der aus wiederkehrenden Elementen wie Anfangs-, Abschlussrunden, Rederunden, Aktionszeiten, Ruhezeiten o. Ä. besteht. Je nach Gruppe können das mehr oder weniger Elemente sein, aber ein Wiedererkennungseffekt befriedigt die Bedürfnisse nach Struktur, Orientierung, Halt und Sicherheit. Ferner ist es immer sinnvoll Gruppenregeln gemeinsam mit der Gruppe zu erarbeiten, die dem Schutz des Einzelnen dienen und dazu beitragen, dass sich alle wohlfühlen. Dabei muss immer das Thema Vertraulichkeit und Schweigepflicht thematisiert werden.

8. Verwenden Sie erlebnisorientierte ganzheitliche Interventionen! Prinzipiell ist es sinnvoll, alle Therapieinhalte möglichst ganzheitlich erlebbar zu machen. Diese gefühlsmäßig im Hier und Jetzt der Stunde zu erleben, körperlich zu spüren, kognitiv zu reflektieren und mit Verhalten zu verknüpfen ist entscheidend für den Therapieprozess. Dafür können erlebnisorientierte Gruppentechniken eingesetzt werden. Zum Beispiel kann die Gruppe gemeinsam einen »Gefühls-Move« machen, bei dem alle aufstehen, sich an ein bestimmtes Gefühl erinnern, sich entsprechend bewegen und dabei ihre Körperempfindungen, Emotionen und Gedanken spüren. Eine weitere Technik, die ich gerne einsetze, ist die »Gefühlsstatue«, bei der die Gruppe gemeinsam ein bestimmtes Gefühl oder Ereignis in Form einer menschlichen Statue darstellt.

9. Fixieren Sie Inhalte schriftlich und fördern Sie Alltagstransfer. Kinder und Familien können von Arbeitsblättern profitieren, die die wichtigsten Inhalte der Therapiesitzung veranschaulichen und zusammenfassen. Für Erwachsene und ältere Jugendliche können Therapienotizen hilfreich sein, bei denen sie am Ende der Stunde aufschreiben, was sie sich von der Stunde merken möchten und was sie sich für die kommende Woche vornehmen. (Und ganz nebenbei können Sie in dieser Zeit auch Ihre Dokumentation machen.)

Mit diesen 9 Tipps möchte ich Sie ermutigen, den Mut zur Gruppe zu gewinnen und diese wertvolle Form der Therapie in Ihrem eigenen therapeutischen Repertoire in Betracht zu ziehen.

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Die Autorin


Dr. Marion Schmitman gen. Pothmann, Dipl.-Psych., Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeutin (VT), Familientherapeutin, Schematherapeutin (CA-AV), hat die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Klinik Hochried in Murnau mit aufgebaut und in einer ärztlich-psychologischen Doppelspitze geleitet. Heute ist sie in eigener psychotherapeutischer Praxis für junge Menschen in Hamburg niedergelassen und auch als Dozentin und Supervisorin tätig.

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