Wo bewahren Sie Ihre Werkzeuge auf? Sorgfältig geordnet in einem Werkzeugkoffer, sodass Sie jederzeit mit einem Griff genau auf das Werkzeug zugreifen können, das Sie gerade benötigen? Oder lagern Sie Ihre Werkzeuge ungeordnet im Schuppen oder einem Kellerraum und drohen langsam den Überblick darüber zu verlieren, welche Werkzeuge Sie besitzen und wo genau Sie das finden, was Sie gerade benötigen?
Nachdem wir im letzten Jahr festgestellt haben, dass einige unserer therapeutischen Werkzeuge anfingen, verstaubt in der Ecke herumzuliegen, fassten wir den Entschluss, diese zu entstauben und zu ordnen. Für uns, für unsere Patient:innen, Supervisand:innen und alle Kolleg:innen, denen es ähnlich geht. Unser besonderes Interesse galt dabei Übungen aus der Akzeptanz- und Commitmenttherapie, die über die direkte Erfahrung neue Erkenntnisse und Perspektiven eröffnen können.
Diese lassen sich nicht nur gut in der therapeutischen Arbeit mit Patient:innen nutzen, sondern bieten auch Anregungen für die Reflexion der eigenen therapeutischen Arbeit, z.B. der eigenen Werte im Kontext von Therapie und dem eigenen Handeln in schwierigen Therapiesituationen.
Wertegeleitetes therapeutisches Arbeiten
Wir möchten Sie einladen, sich eine Therapiesitzung der letzten Wochen in Erinnerung zu rufen, in der Sie den Eindruck hatten, dass »etwas in Gang gekommen« ist, dass da »Bewegung« oder »Bewegtheit« war. Was ist in dieser Sitzung passiert? Was haben Sie getan, um diesen Prozess zu ermöglichen oder zu unterstützen?
Wenn Sie mögen, nehmen Sie sich doch einmal einen Moment Zeit, um für sich folgende Fragen zu beantworten:
- In welchen Momenten und bei welchen Aktivitäten hat sich in meinen Therapiestunden in der Vergangenheit ein Gefühl von Lebendigkeit eingestellt?
- Womit hängt dieses Gefühl möglicherweise zusammen?
- Worauf weist mich das Erleben von Lebendigkeit in dieser Situation hin?
- Mit welchem meiner Werte in der therapeutischen Arbeit hängt es zusammen?
- Welche kleinen Schritte könnte ich in Zukunft unternehmen, um mich mehr in Richtung dieses Wertes zu verhalten?
- Kann mir dieser Wert als Kompass für meine Arbeit dienen?
Was tun in schwierigen Therapiesituationen
Neben den wegweisenden »Sternstunden« der Therapie erlebt jeder Psychotherapeut bzw. jede Psychotherapeutin auch sehr schwierige Therapiesituationen. Situationen, in denen wir nicht mehr weiter wissen, glauben festzustecken und unseren Erwartungen nicht gerecht werden können. Situationen, in denen wir mit für uns schwierigen Gefühlen wie Frustration, Verzweiflung, Schuld und Ärger konfrontiert werden. Wie reagieren Sie, wenn Sie den Gedanken haben »Ich weiß hier nicht mehr weiter«, oder »Jemand anderes könnte das hier besser?« Viele von uns werden passiv, ziehen sich innerlich zurück und überlassen das Sprechen resigniert ihren Patient:innen. Andere wiederum reagieren sehr aktiv mit didaktischen Erklärungen, um sich aus der Notlage zu befreien. Oder wir versuchen, die Gedanken abzuwehren, indem wir uns sagen: »Das ist aber auch ein sehr schwieriger Klient.«
Überlegen Sie einmal:
- Wie reagieren Sie, wenn Sie sich in so einer Situation befinden?
- Was tun Sie dann?
- Dient ihr Handeln dazu, einem schwierigen Gedanken oder Gefühl auszuweichen?
Vermeiden von Gedanken und Gefühlen in schwierigen Therapiesituationen
ACT kann uns helfen, anders mit diesen Situationen umzugehen. Dazu gehört eine Bereitwilligkeit und Offenheit, Erfahrungen so anzunehmen, wie sie sind. In der ACT sprechen wir von Akzeptanz. Damit ist nicht gemeint, dass wir uns mit allem abfinden. Akzeptanz bedeutet eine Wahl, eine Bereitschaft, eigene Erfahrungen anzunehmen und daraus zu lernen (Hayes 2011, Svitak 2021). Akzeptanz ist also weniger ein Gefühl als eine Haltung und führt dazu, dass wir uns von nicht hilfreichem Vermeidungsverhalten befreien.
Überlegen Sie:
- In welchen Situationen haben Sie etwas getan, um schwierigen Gefühlen oder Gedanken in der Therapie aus dem Weg zu gehen?
- Was hat Sie das gekostet?
Handeln wir impulsiv aus einem Gefühl heraus, führt dies häufig dazu, dass unsere Reaktion ausschließlich darauf abzielt, uns nur kurzfristig Erleichterung zu verschaffen. Wir berücksichtigen dann nicht mehr, was langfristig zielführend ist.
In schwierigen therapeutischen Situationen kann es deshalb hilfreich sein, innezuhalten und sich folgende Fragen zu stellen:
- Welches Gefühl und welchen Impuls spüre ich gerade?
- Was ist langfristig für mich bedeutsam?
- Welcher Umgang mit dem momentanen Gefühl und Impuls ist langfristig für mich hilfreich?
Für die Therapiestunden bietet es sich bei wiederkehrenden Mustern an, sich vor der Stunde die eigenen Impulse bewusst zu machen und wertegeleitete Ziele zu definieren.
Literatur
Hayes, S. C., Strosahl, K. D., & Wilson, K. G. (2011). Acceptance and commitment therapy: The process and practice of mindful change. Guilford press.
Svitak, S. (2021). Die therapeutische Haltung in ACT: Achtsamkeit in der therapeutischen Beziehung. Springer Berlin.
Die Autorinnen
Dr. Sabine Svitak, Dipl.-Psych., ist Psychologische Psychotherapeutin, Verhaltenstherapeutin in eigener Praxis, Supervisorin und Dozentin seit 2008. Mitarbeit im Vorstand der Deutschsprachigen Gesellschaft für Kontextuelle Verhaltenswissenschaft DGKV 2016-2020.
Anja Meyer, Dipl.-Psych., ist seit 2010 niedergelassene Psychotherapeutin/Verhaltenstherapeutin in eigener Praxis. Sie ist als Selbsterfahrungsleiterin, Supervisorin und Dozentin tätig. Sie ist peer-reviewed ACT-Trainerin. Von 2021–2023 war sie Mitglied im Vorstand der Deutschsprachigen Gesellschaft für Kontextuelle Verhaltenswissenschaft (DGKV).
Beide Autorinnen haben zusammen das Kartenset »ACT to go. Akzeptanz- und Commitmenttherapie für jeden Tag. Mit 80 Karten mit Übungen und Impulsen« 2024 bei Beltz veröffentlicht.