Mit dem eigenen Aussehen unzufrieden zu sein, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Insbesondere in den letzten Jahren sind zunehmend mehr Kinder und Jugendliche davon betroffen. Denn nicht nur, dass die körperliche Veränderung vom Kind zum Erwachsenen eine große Aufgabe ist – auch der Druck in sozialen Medien stellt Kinder und Jugendliche mehr und mehr vor große Herausforderungen. Die Probleme liegen auf der Hand: Denn die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper kann kurz- und langfristig einen Einfluss auf die Stimmung nehmen, das Selbstwertgefühl beeinflussen und zu diversen Beeinträchtigungen führen. Darüber hinaus erhöht sie das Risiko für psychische Störungen, die mit dem Körperbild assoziiert sind, wie die Anorexia und Bulimia nervosa und die Körperdysmorphe Störung, bei der Betroffene annehmen, dass ihr Körper oder bestimmte Körperbereiche entstellt oder hässlich seien. Wie können Kinder und Jugendliche unterstützt werden, gesunde Orientierungen zu finden, ihre Aufmerksamkeit zu schulen und sich selbst anzunehmen?
Körperbild – Was ist das überhaupt?
Unter Körperbild versteht man das Bild, das man sich selbst von seinem Körper macht. Es beinhaltet zum einen das Körperbewusstsein, d.h. die Aufmerksamkeit, die man dem eigenen Körper schenkt. Zum anderen beinhaltet es aber auch die Körpereinstellungen, also die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper.
Körperbildstörungen können sich auf Wahrnehmungs-, Gedanken-, Gefühls- und Verhaltensebene zeigen:
- Charakteristisch hierfür sind Wahrnehmungsverzerrungen, Fehleinschätzungen und Unsicherheiten in Bezug auf den eigenen Körper. Kinder und Jugendliche können annehmen, sie seien zu dick, obwohl dies nicht der Fall ist. Oder sie erleben bestimmte Körperbereiche als »hässlich« und nehmen an, dass andere sie dafür abwerten.
- Zudem können sich Körperbildstörungen auf kognitiver Ebene äußern, indem den Gedanken, die mit dem Körperbild verbunden sind, eine höhere Bedeutung und Relevanz beigemessen werden. Insbesondere mit Beginn der Pubertät bekommt das Aussehen für Jugendliche einen besonderen Stellenwert. In dieser verletzlichen Phase kann sich ein negatives Denken in Bezug auf den eigenen Körper entwickeln. Grundannahmen in Bezug auf den Körper können sich durch ständiges Gedankenkreisen manifestieren und nur schwer oder gar nicht infrage gestellt werden.
- Auf emotionaler Ebene können vor allem Gefühle wie Unsicherheit, Scham, Ekel, Traurigkeit und Wut gegenüber dem eigenen Körper auftreten.
- Auf Verhaltensebene können sich Kinder und Jugendliche sozial rückzügig oder andere Formen von Vermeidungsverhalten zeigen. Das führt dazu, dass sie keine anderen Erfahrungen machen und sie ihre Annahmen über ihren Körper nicht widerlegen können. Insbesondere bei Mobbingerfahrungen, auch im Bereich sozialer Medien, brauchen Kinder daher dringend Ansprechpartner:innen. Finden Kinder diese nicht, können sich Wünsche nach kosmetisch-chirurgischen Behandlungen entwickeln oder der Rückzug in virtuelle Realitäten einen Ausweg für Kinder darstellen.
Welche Faktoren beeinflussen das Körperbild?
Das Körperbild entwickelt sich relativ früh im menschlichen Leben und wird vor allem vom sozialen Miteinander beeinflusst und geprägt. Zum einen kann sozialer Druck – im Klassenverbund, unter Peers, aber auch in sozialen Medien – einen Einfluss auf das eigene Bild vom Körper nehmen. Mobbing stellt hierbei einen zentralen Risikofaktor für die Entwicklung von körperbildassoziierten Störungen dar. Aber auch die medialen Körperdarstellungen tragen zu einer Idealisierung von Körperform und Körpergewicht bei. Hierbei werden äußerliche Ideale geformt, vermittelt und durch sozialen Druck verinnerlicht. Es zeigt sich ein Trend zur Optimierung des eigenen Körpers, der sich in Bezug auf das Alter immer weiter nach vorne verlagert. Besondere Bedeutung bekommt dies durch den steigenden Konsum sozialer Medien, in denen Körperbilder unter Verwendung von Filtern optimiert werden. Sie vermitteln nicht nur eine einseitige und wenig diverse Auffassung von Schönheit, sondern sind insbesondere für Kinder und Jugendliche trügerisch, weil diese sich an Modellen orientieren und noch nicht unterscheiden können, welches Modell gut oder weniger gut geeignet ist. Die optimierten Bilder bilden die Realität nicht mehr ab und bringen die Kinder in einen Konflikt zwischen einem Idealbild und dem eigenen körperlichen Erscheinen. Erfahren Kinder und Jugendliche zusätzlich Abwertung oder Lob für ihr Aussehen, birgt dies ein Risiko für körperbildassoziierte Störungen. Insbesondere dann, wenn der eigene Selbstwert nur noch aus dem optischen Erscheinen gezogen wird. Hierbei stellt die Pubertät eine äußerst verletzliche Phase dar, denn ab hier wird der Selbstwert auch aus dem eigenen Aussehen generiert. Es ist also nicht verwunderlich, dass viele körperbildassoziierte Störungen bereits während der Pubertät beginnen. Deswegen ist es wichtig, das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken und mit ihnen viele Quellen für ihren Wert zu finden, denn so kann die Angst vor negativer Bewertung durch andere – vor allem während der Pubertät – reduziert und der Selbstwert nicht nur auf Basis des Aussehens gewonnen werden.
Die Rolle der Eltern in Prävention und Therapie von Körperbildstörungen
Gerade die Familie ist ein wichtiger Ort, an dem Kinder ihr Selbstwertgefühl stärken können. Denn die Familie ist das erste soziale System, in dem sie Erfahrungen mit ihrem eigenen Körper machen, den Umgang mit ihrem Körper lernen und Einstellungen und Wertevorstellungen entwickeln. Eltern können hierbei Vorbild für Selbstkritik wie auch für Selbstakzeptanz sein und direkt wie indirekt einen Einfluss auf die Körperwahrnehmung ihrer Kinder nehmen. Denn Kinder orientieren sich an Vorbildern: Wird ein guter, fürsorglicher Umgang mit dem Köper vermittelt und vorgelebt, können Einstellungen und Bewertungen sich und seinem Körper gegenüber positiv beeinflusst werden.
Körperstarke Kinder benötigen daher körperstarke Vorbilder! Und so kann es hilfreich sein, Erwachsene auf ihre Rolle als Vorbild aufmerksam zu machen und sie in ihrer Vorbildfunktion zu unterstützen. Der Einbezug von Eltern kann sich dahingehend als hilfreich erweisen, weil sie den Kindern eine wertschätzende Haltung zu sich und zum eigenen Körper zeigen und vorleben können. Kinder können so an einem verantwortungsbewussten Modell einen verantwortungsvollen Umgang mit sich selbst lernen. Darüber hinaus ist der bewusste und wertschätzende Umgang der Eltern mit dem Körper ihrer Kinder eine wichtige Grundlage dafür, dass Kinder ein »Du bist mir wichtig, ich akzeptiere und liebe dich so wie du bist« verinnerlichen und einen Transfer zu einem »Ich bin mir wichtig, ich gehe freundlich mit mir um und akzeptiere mich so wie ich bin« herstellen können.
Fünf kleine Übungen können hierbei zur Inspiration genutzt werden. Sie richten sich nicht nur an die betroffenen Kinder, sondern auch an ihre Eltern und behandelnde Therapeut:innen, die ebenso eine Vorbildfunktion haben.
Das Körperbild – Ein Blick auf sich selbst mit vielen Möglichkeiten
Therapeut:innen und Eltern können Kindern …
1. einen selbstfürsorglichen Umgang zeigen, der den eigenen Körper stark macht. Dies gelingt, indem sie …
- sich gesund ernähren und den Körper liebevoll pflegen.
- Pausen machen und sich ausreichend bewegen.
- Dinge tun, die ohne Leistungsdruck Freude bereiten.
- sich mit Menschen und Dingen umgeben, die ihnen guttun.
2. zeigen, wie sie sich selbst helfen können, z.B. indem man sich selbst umarmt!
- Weil der Körper durch die eigene Umarmung an Umarmungen von anderen erinnert wird, die ihm schon einmal gut getan haben.
- So kann der Körper eben auch selbst ähnlich gute Gefühle herstellen!
- Stress wird abgebaut, ein gutes Gefühl breitet sich warm im Körper aus, man kann sich entspannen.
3. Modell sein, indem sie einen Raum schaffen, wenn Menschen einem ungefragt zu nahe kommen und Grenzüberschreitungen unangenehme Körpergefühle erzeugen.
- Sie können die Arme ausstrecken.
- Und dabei sagen: »Halt! Stopp!«
- Und dem anderen so signalisieren »Bis hierhin und nicht weiter!«
4. eine andere Wahrnehmung ermöglichen, wenn sie für ihre eigene Schönheit blind sind.
- Indem man den eigenen Körper mit geschlossenen Augen und nur mit den Fingerspitzen berührt,
- sich dabei vorurteilsfrei beschreibt, als ob man sich noch nie gesehen hätte
- und die Finger erzählen lässt, wie sie den Körper beschreiben und wahrnehmen.
5. ihre Schokoladenseiten zeigen, wenn einem zu viele Vergleiche mit anderen den Geschmack verderben.
- Indem sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Talente, Fähigkeiten und die Körperbereiche legen, mit denen sie zufrieden sind.
- Denn wenn sie diese gefunden haben, wird es leichter fallen, sie im Spiegelbild wiederzufinden.
- Mit welchen guten Gedanken möchte man sich im Spiegel begrüßen und begegnen?
- Und macht der freundliche Blick auf einen selbst nicht sogar, dass uns unser Spiegelbild zurück anlächelt?
Wir können unsere Kinder nie gänzlich vor allem schützen. Insbesondere in Zeiten medialen Einflusses, ist es manchmal schwierig, die sich daraus entwickelnden Vorbilder der Kinder und Jugendlichen infrage zu stellen. Aber lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung dafür übernehmen, dass sie sich ein gutes Bild in der Realität von ihrem Körper machen können. Und das beginnt mit einem wohlwollenden Blick auf sich selbst. So können die Kinder zu wahren »Follower:innen« werden und anstelle von unrealistischen Idealen ihren eigenen Idealen folgen.
Die Autorin
M. Sc. Psychologin Marny Münnich ist Psychologische Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Bergischen Universität Wuppertal. Ihr therapeutischer Schwerpunkt liegt insbesondere in der Behandlung von Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis. Sie ist Autorin des Kartensets »Expedition Esel« mit 99 Übungen zum Entdecken der eigenen Gefühlswelt für Kinder/Jugendliche, erschienen 2022 bei Beltz und des Kartensets »Körperstark nach Krakenart«, erschienen 2023 bei Beltz.