Selbstfürsorge durch Dankbarkeit: Das Ritual der »Bohnenübung«

Dankbarkeit tut der Seele gut – nicht nur sprichwörtlich. Forschungen belegen, dass Dankbarkeit positive Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit hat und zwischenmenschliche Beziehungen stärkt. Und das Beste: Dankbarkeit kann trainiert werden. Eine Möglichkeit, um Patient:innen zu motivieren, den positiven Aspekten ihres Lebens mehr Aufmerksamkeit zu schenken, ist die sogenannte Bohnenübung. Lassen Sie sich und Ihre Patient:innen durch eine inspirierende Geschichte zu einer regelmäßigen Dankbarkeitspraxis anregen.

Diese Übung lädt dazu ein, sich von einer Geschichte inspirieren zu lassen, um die Wahrnehmung für Anlässe von Dankbarkeit zu schulen, eine innere Haltung des Dankbarseins im Alltag zu üben, der Negativitätstendenz entgegenzuwirken und Ressourcen zu bilden.
• Dauer der Übung: 10–15 Minuten, Hausaufgabe für zwischendurch, über den Tag verteilt
• Materialien: eine Handvoll Bohnen, eventuell ein kleines Säckchen für die Bohnen, Bohnen-Geschichte

Eine Geschichte über das Glücklichsein

Es war einmal eine sehr alte Frau, die glücklich und zufrieden lebte. Sie schien eine echte Lebenskünstlerin zu sein.
Alle im Dorf kannten die Frau, die in ihrem kleinen Haus am Dorfrand lebte. Täglich verrichtete sie ihre Arbeit wie auch die anderen Menschen um sie. Im Sommer sah man sie manchmal noch abends auf einer Bank im Garten zwischen den Blumen sitzen und im Winter im Schein der Lampe abends in ihrer Stube hantieren. Eines fiel allen auf, die sich so an sie gewöhnt hatten, auch denen, die sie kaum kannten: Die Frau trug immer einen Hauch von einem Lächeln im Gesicht. Irgendetwas machte sie glücklich.
Und das ist ihre Geschichte: jeden Tag, gleich nach dem Aufstehen, ließ die Frau eine Handvoll Bohnen in ihre rechte Hosen- oder Jackentasche gleiten, und während die Stunden des Tages verstrichen, wanderte bei jedem kleinen wundervollen Erlebnis – wenn Augen sich verständnisvoll treffen, wenn ein Lächeln weitergegeben wird, wenn Hände sich öffnen, wenn ein Vogel zwitschert, wenn … – ja, dann wanderte eine Bohne von der rechten in die linke Tasche. Abends wenn die Frau dann in ihrer Stube am Tisch saß, holte sie alle Bohnen aus der linken Hosentasche hervor und legte sie auf den Tisch vor sich. Und bei jeder Bohne erinnerte sie sich an das kleine Wunder des Tages, das sie miterlebt hatte.
… auch wenn es nur eine einzige Bohne war, auch dann gab es Grund für Glücksgefühl und Dankbarkeit ans Leben und zauberte nachhaltig ein kleines Lächeln ins Gesicht und ins offene Herz.

Dankbarkeit im Alltag: Wertschätzung der kleinen Dinge

Viele schöne Augenblicke gehen unbemerkt vorüber. Wenn Sie einen Moment innehalten, wahrnehmen und erleben, dann fließt Freude in Ihr Herz und Sie erfahren Dankbarkeit. Alles, was Sie dazu brauchen, ist ein wacher Geist und ein offenes Herz, um die Gelegenheiten wahrzunehmen, zwei Jacken- oder Hosentaschen und eine Handvoll Bohnen.
Sie können sich, um diese Übung zu praktizieren, die Bohnen in ein Säckchen oder in ihre Tasche stecken und in Glücksmomenten eine Bohne wandern lassen. Nehmen sie sich dann, vielleicht abends, Zeit, sich an Ihre Glücksmomente zu erinnern. Berühren Sie dabei die »gewanderte« Bohne. Und vielleicht möchten Sie Ihre Erfahrungen auch notieren.

Leseprobe aus: Malzer-Gertz • Gloger • Martin • Luger-Schreiner (2023). Therapie-Tools Selbstfürsorge. Weinheim:Beltz.

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